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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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über jene, die einen tiefen Schlaf schenken. Es gibt Pflanzen, aus denen unterschiedliche Pulver gewonnen werden. Mit Wein vermischt, genügt oft eine kleine Messerspitze des Mittels, um einen Mann ins Reich der Träume zu schicken. Man könnte ihm seinen Augapfel stehlen, und er würde es nicht merken.« Sie stieß den Löffel so heftig in die nächste Pflaume, dass der Saft über das Tischtuch spritzte.
    »Oh, verzeiht mein Missgeschick!« Sie blickte entschuldigend in die Runde. »Gewöhnlich gehe ich geschickter mit dem Löffel um.«
    »Ach, das ist doch nicht der Rede wert, Frau Helena!«, beschwichtigte Irmela. Eberhard fiel auf, dass seine Mutter in Gegenwart der Gräfin geradezu aufblühte.
    »Ich danke Euch für Eure Nachsicht, Frau Irmela.« Helena nickte ihrer Gastgeberin herzlich zu. Dann wandte sie sich an Eberhards Vater. »Gestattet Ihr mir eine Frage, Herr Ulf?«
    »Wenn’s sein muss.«
    »Herr Meinolf gestand mir, dass mein Sohn aus Eurem Kerker geflohen ist. Entspricht dies der Wahrheit?«
    Ulf wurde erst blass, dann rot.
    » Was hat er gesagt?«
    »Dass mein Sohn Rudolf geflohen sei. Ich hielt seine Worte zunächst für eine Finte, um mich zu demütigen. Andererseits würde es erklären, warum Ihr weder mir noch dem Pater gestattet, Rudolf zu sehen.«
    »Meinolf!«, schrie Ulf. »Welchen Unsinn hast du der Gräfin erzählt?«
    »Ich …«, stammelte Meinolf. Offensichtlich verschlug es ihm tatsächlich die Sprache. Eberhard verbiss sich ein Lächeln und deutete unauffällig die Geste des Geldzählens an.
    »Das möchte ich auch gern wissen«, ereiferte sich Pater Hugo. »Ich habe hier schon so einiges erlebt, aber diese Bosheit einer wehrlosen Mutter gegenüber sucht ihresgleichen. Erst die Lügen über den Tod der Tochter, dann Märchen über den Verbleib des Sohns. Ich verlange auf der Stelle Gewissheit. Führt uns sofort zu Herrn Rudolf!«
    »Das … ist unmöglich«, beschied Ulf.
    »Weil er geflohen ist?«
    »Nein, weil … er hat die Pocken. Deshalb darf niemand zu ihm. Ich wollte der Gräfin diese Sorge ersparen.«
    »Die Pocken?«, wiederholte Helena mit hochgezogenen Brauen. »Das erscheint mir unwahrscheinlich. Er hatte keinerlei Krankheitsanzeichen. Der Ausbruch der Pocken geht für gewöhnlich mit mehreren Tagen des Fiebers einher, ehe sich die bekannten Pusteln bilden. Glaubt mir, ich kenne mich damit aus. In Ägypten gab es …«
    »Verschont uns mit Eurem verdammten Ägypten!«, brüllte Ulf.
    »Dann sagt mir endlich, was meinem Sohn widerfahren ist, statt eine Lüge mit der nächsten vertuschen zu wollen!«
    Schweigen.
    »Wir warten, Herr Ulf.« Pater Hugo klopfte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Es stimmt«, gab Eberhards Vater schließlich zu. »Rudolf ist verschwunden. Wir haben alles abgesucht, sogar den Fuß des Berges. Dort hofften wir, wenigstens seinen Leichnam zu finden, falls er törichterweise aus dem Fenster geklettert war. Aber wir fanden nichts. Wo immer er stecken mag – wir wissen es nicht.«
    »Und warum habt Ihr mir das nicht gleich gesagt, Herr Ulf?«, fragte Gräfin Helena nun deutlich sanfter.
    »Bohrt nicht in seiner Wunde!«, riet Eberhard und nutzte das kurze Zögern seines Vaters. »Er wollte nur die Ehre seines Sohnes Meinolf schützen, der für die Aufsicht über den Kerker verantwortlich war. Nachdem mein lieber Bruder Euch sein Versagen aber eingestanden hat, sollten wir es damit bewenden lassen.« Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass Meinolf vor Wut mit den Zähnen knirschte.
    »Das erklärt mir aber noch immer nicht, wo mein Sohn abgeblieben ist.«
    »Vermutlich ist der längst wieder nach Birkenfeld zurückgekehrt«, knurrte Ulf.
    »Glaubt Ihr? Nun, dann könnt Ihr mir sicher endgültige Gewissheit darüber verschaffen. Meine Sorgen haben sich nämlich leider keineswegs zerstreut, zumal Herr Meinolf mir anlässlich eines aufschlussreichen Gesprächs den freundschaftlichen Rat erteilte, gut auf meine Tochter Meret zu achten. Andernfalls könne sie auf Burg Regenstein einen schlimmen Unfall erleiden.«
    »Ulf, ist das wahr?«, schrie Irmela. »Du erlaubst es deinem Bastard, Drohungen gegen Frauen und Kinder auszustoßen?«
    »Ich muss auch sagen, das ist ungeheuerlich!« Alheidis blitzte Meinolf zornig an.
    »Das ist eine bewusste Verdrehung harmloser Worte«, versuchte Meinolf sich zu rechtfertigen. »Gräfin Helena, ich bin erschüttert, zu welchen Mitteln Ihr greift, um im Haus meines Vaters Unfrieden zu stiften.«
    »Im

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