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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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anständiges Lösegeld zu zahlen.«
    »Diese ehrlosen Schurken!« Alexander sprang auf. »Wie können sie es wagen?«
    Sein Vater schüttelte nur den Kopf. »Alles andere hätte mich überrascht. Die Regensteiner kennen keine Ehre.«
    »Wie lauten Eure Anordnungen?«, fragte Stephan.
    »Meine Anordnungen?« Philip musterte ihn. »Wie wäre es, wenn du zu Bett gehst?«
    »Zu Bett?«
    »Es ist schon spät.«
    »Ja, aber …«
    »Du siehst so aus, als hättest du es nötig.«
    »Ja, aber …«
    »Schon gut. Ihr hattet nur Merets Wohl im Sinn, du und Rudolf. Ihr konntet nicht mit der Hinterlist der Regensteiner rechnen.«
    » Ihr habt damit gerechnet«, gab Stephan kleinlaut zu.
    Philip nickte. »Das habe ich. Doch ich hätte mich irren können. Einen Versuch war es wohl wert. Geh zu Bett, Stephan!«
    Stephan hob die Schultern, nickte und zog sich zurück. Er wusste nicht so recht, was er erwartet hatte. Vorwürfe? Vielleicht. Aber auf keinen Fall diesen niedergeschlagenen Blick des Grafen, der ihn trotz allem so verständnisvoll zu Bett schickte. Das machte die Scham über sein Versagen nur noch schlimmer. Hätte er Rudolf zurückhalten können? Gewiss, wenn er dem Gefährten nicht so bereitwillig gefolgt wäre. Aber dann hätte er sich vorgeworfen, nicht alles versucht zu haben.
    Seine Kammer lag in einem der Fachwerkhäuser der Vorburg. Anders als die Waffenknechte, die sich zu viert einen Raum teilten, genoss er als ritterlicher Vasall den Vorzug einer eigenen Schlafstube im Haus des Burghauptmanns Witold.
    Witold war noch wach. »Wir haben uns Sorgen gemacht«, sagte er.
    »Aha.«
    »Der Graf hat nach dir und Rudolf gesucht.«
    »Ich weiß.«
    »Und?«
    »Gute Nacht, Witold.« Stephan schritt an ihm vorbei in seine Kammer. Einen Moment lang flammte tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen auf, weil er den alten Burghauptmann einfach stehen ließ. Der war stets freundlich zu ihm, hatte ihn wie den Sohn, den er nie gehabt hatte, in seinem Haus aufgenommen. Drei Töchter hatte Witold, zwei von ihnen waren längst verheiratet, nur die jüngste lebte noch bei ihm und seinem Weib. Aber ganz gleich, was Witold dachte, Stephan war nicht in der Stimmung, ein weiteres Wort mit wem auch immer zu wechseln.

 6. Kapitel  
    R udolf, bitte tu’s nicht!« Meret sah ihren Bruder mit großen, flehenden Augen an. »Du wirst in den Tod stürzen!«
    »Unsinn.« Er lächelte seiner kleinen Schwester aufmunternd zu und verknotete das Seil am Fensterkreuz. Es hatte sich gelohnt, ein Seil mit in die Burg zu schmuggeln, das er sich um den bloßen Oberkörper gewunden und unter der Kleidung verborgen hatte. Die Länge reichte aus, um sich von einem Fenster in das daruntergelegene zu hangeln. Wären die Regensteiner auf seinen Vorschlag eingegangen, dann wäre er inzwischen vermutlich schon auf dem Weg in die Freiheit gewesen.
    »Und was versprichst du dir davon?« Die Elfjährige sah ihn vorwurfsvoll an. Den Blick hatte sie zweifellos von ihrer Mutter, der sie wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    »Ich will mich ein wenig in der Burg umsehen. Vielleicht entdecke ich einen Fluchtweg.«
    »Und wenn du abstürzt, bin ich ganz allein.«
    »Ich stürze nicht ab. Vertrau mir!« Er strich ihr über das Haar. Meret verdrehte die Augen und setzte sich auf ihre Bettstatt. Rudolf hatte nicht erwartet, dass man ihn tatsächlich zu seiner Schwester sperren würde. Ihm war es vor allem darum gegangen, sie zu sehen und ihr Mut zuzusprechen. Doch Meinolf hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn zu verhöhnen. »Jemand, der sich so blauäugig gefangen nehmen lässt, gehört in die Mädchenkemenate«, hatte er gesagt und spöttisch gelacht. Rudolf hatte ihn nur gleichmütig angesehen, aber innerlich triumphiert. Wenn er mit Meret zusammen war, vereinfachte das vieles. Zwar war die Tür zum Turmzimmer verschlossen, aber darin sah Rudolf kein Hindernis, solange es ein Fenster gab und er das Seil besaß. Meret konnte ihm auf diesem Weg zwar nicht folgen, aber darum ging es nicht. Er hatte Zeit. Er wollte wissen, wo er war. Und die Nächte waren wie geschaffen für heimliche Rundgänge.
    Ein letztes Mal prüfte er den Knoten und die Festigkeit des Seils, dann stieg er aus dem Fenster. Meret hielt sich entsetzt die Augen zu.
    »Du übertreibst«, sagte er kopfschüttelnd.
    Die Nacht war sternenklar. Rudolf ließ den Blick über die finsteren Wälder schweifen, die den Berggrat umgaben. In der Ferne sah er vereinzelte Lichter blitzen. Halberstadt.

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