Die Tochter der Suendenheilerin
zum Missfallen Eures Herrn Vaters mit Julia von Hohnstein befreundet.«
»Wie kommt Ihr darauf, dass dies meinem Vater missfällt?« Da war sie wieder, die Zornesfalte.
»Nun, ich dachte, dies sei der Grund, warum Euer Vater Euch untersagte, gemeinsam mit Julia an den Exerzitien im Kloster Sankt Michaelis teilzunehmen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er fürchtete vielmehr, ich könnte Gefallen am Klosterleben finden.«
»Eine seltsame Sorge.« Rudolf zog die Brauen hoch. »Oder liebäugelt Ihr tatsächlich damit, den Schleier zu nehmen?«
»Ich wüsste nicht, was Euch das anginge.«
»Nichts, Ihr habt völlig recht. Ich dachte bislang nur, Euer Vater wolle den Kontakt zu Julia von Hohnstein hintertreiben, weil sie eine mögliche Braut für meinen Bruder Alexander wäre. Und dann könntet Ihr womöglich den schlimmen Birkenfeldern mit ihren Silberzungen über den Weg laufen.« Er zwinkerte ihr zu, und obwohl sie ihr grimmiges Gesicht zu wahren versuchte, musste sie lachen. »Und wie ich sehe, bin ich nicht einmal hier vor Euch sicher.«
»Woran allerdings Euer Vater nicht unschuldig ist«, entgegnete Rudolf. »Wäre es nach uns Birkenfeldern gegangen, wären wir mittlerweile allesamt auf unserer Burg und würden uns auf das Pfingstfest vorbereiten.«
Sie sah ihn fragend an.
»Ihr wisst nicht, was vorgefallen ist, Fräulein Sibylla?«
»Nein.«
»Euer Vater hat meine jüngste Schwester Meret auf dem Heimweg von Burg Hohnstein nach Burg Birkenfeld überfallen und entführt.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Warum?«
Rudolf hob die Schultern. »Ich glaube, er war verärgert, dass mein Vater ihm die Hand meiner Schwester Antonia verweigerte.«
Sibyllas Augen wurden noch größer. »Er wollte Eure Schwester heiraten? Sie ist doch nur um ein Jahr älter als ich.«
»Nun, wenigstens hat er nicht um Meret angehalten.«
»Und was sucht Ihr hier?«
»Ich hatte mich als Austauschgeisel angeboten, weil ich es meiner kleinen Schwester nicht zumuten konnte, in derartige Querelen verwickelt zu werden. Nun, Eure Familie hielt es für angemessen, auch mich hierzubehalten, meine Schwester indes nicht freizugeben.«
Sibylla senkte den Blick. »Das tut mir leid.«
»Es ist nicht Euer Verschulden, Fräulein Sibylla. Aber sagt, was ging Euch durch den Kopf, als ich so plötzlich vor Eurem Fenster erschien?«
Sie hob die Schultern. »Ich war viel zu überrascht, mir darüber Gedanken zu machen.«
»Und zu sehr mit der Verteidigung Eurer Ehre befasst«, ergänzte er mit Blick auf den Schürhaken. »Eine gefährliche Waffe.«
»Die ich Euch auch ohne Zögern über den Kopf gezogen hätte, wenn es sich als nötig erwiesen hätte.«
»Das glaube ich Euch unbesehen, Fräulein Sibylla.«
»Und was sollen wir nun anfangen, Herr Rudolf?«
»Wir?« Er betrachtete sie mit einem Lächeln. »Eigentlich wollte ich die Burg erkunden. Ich hoffte, auf ein leeres, unverschlossenes Zimmer zu stoßen.«
»Um einen Fluchtweg zu erkunden?«
Er nickte. »Werdet Ihr mich verraten?«
»Das ist nicht nötig. Von hier aus gibt es keine Fluchtwege. Seht selbst!« Sie ging zur Tür ihrer Kemenate und öffnete sie. Rudolf folgte ihr. Sibylla entzündete ein kleines Handlicht und leuchtete die Stufen hinunter. »Dies ist der sicherste Bereich der Burg«, erklärte sie. »Am Fuß der Treppe befindet sich eine Wachstube, die Tag und Nacht besetzt ist. Ihr kämt nicht weit.«
»Ich habe nichts davon gesehen, als Meinolf mich hinaufführte.«
»Das war vermutlich Absicht. Gewöhnlich steht die Tür stets offen, damit die Wachen jeden sehen.«
»Was fürchtet Euer Vater? Dass Euch jemand rauben könnte?«
»Ich weiß es nicht. Es war schon immer so. In der gesamten Burg finden sich Wachstuben. Es heißt nicht umsonst, Burg Regenstein sei uneinnehmbar.«
»Ich dachte, das bezieht sich auf die Lage.«
»Das auch. Aber ich glaube, niemand hat so viele Waffenknechte in seinen Diensten wie der Graf von Regenstein.«
Eine Weile schwiegen sie.
»Es ist wohl besser, wenn ich mich nun zurückziehe«, sagte Rudolf schließlich.
»Durch das Fenster?«
»Wie sonst?«
»Kommt Ihr morgen wieder?«
Er sah sie erstaunt an. »Möchtet Ihr das?«
»Warum nicht? Ihr scheint mir ein unterhaltsamer Gesprächspartner.«
»Und wenn Euer Vater dahinterkommt?«
»Wie sollte er?« Sie lachte. »Aber wer weiß, möglicherweise habt Ihr diesen Weg bald nicht mehr nötig. Ich glaube nicht, dass man Euch und Eure Schwester dauerhaft in dieser Kammer
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