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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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war, einer fohlenden Stute beistand. Als sie ihn gefragt hatte, warum er keinen weiteren Knecht herbeigerufen habe, hatte er nur geantwortet, die Pferde seien schneller versorgt, wenn er selbst Hand anlege, statt seine Zeit mit der Suche nach einem zweiten Knecht zu verschwenden.
    »Karim wird aus ihm einfach nicht schlau.« Sachmets Worte rissen Antonia aus ihren Erinnerungen. »Weißt du, dass Stephan gestern behauptete, er hätte Karim damals in der Wüste getötet, wenn der nur einen Schritt weitergegangen wäre? Als Karim es ihm nicht glauben wollte, schleuderte er zum Beweis sein Messer in den Stamm einer Eiche. Und das, während beide friedlich nebeneinander herritten. Das nenne ich jemandem das Wort abschneiden.«
    »Und was sagte Karim zu diesem Vorfall?«
    »Dass ihm erst danach klar wurde, wie gefährlich dieser Mann sein kann.«
    »Misstraut Karim Stephan?«
    »Ich habe vielmehr den Eindruck, dass er ihm unheimlich ist.«
    »So?«
    »Dir natürlich nicht, du hast ihn ja ins Herz geschlossen, nicht wahr?« Sachmet zwinkerte ihr zu. »Was findest du eigentlich an diesem grimmigen Kerl?«
    Antonia seufzte auf. Also auch Sachmet. Sie musste ihre Gefühle künftig wirklich besser verbergen.
    »Ich bin mir sicher, dass er schweres Leid mit sich herumschleppt, und ich möchte ihm helfen. Hätte ich die Fähigkeit meiner Mutter, dann gelänge mir das ganz gewiss.«
    »Deine Mutter kann den Ka sehen, nicht wahr?«
    »Den Ka?«
    »So nennen wir die Seele, die im Körper wohnt«, erklärte Sachmet. »Meine Tante Pachet besitzt diese Begabung ebenfalls. In Djeseru-Sutech werden solche Fähigkeiten hochgeschätzt. Deshalb werden die Kinder derer, die mit der Gabe gesegnet sind, schon von klein auf geschult. So können die Lehrer erkennen, ob auch sie erwählt sind.«
    »Du meinst, die Gabe ist erblich?«
    Sachmet nickte. »Allerdings zeigt sie sich nicht immer von selbst. Manchmal muss man nachhelfen. So wie es bei meiner Tante geschah.«
    Antonia horchte auf. »Man kann die Gabe hervorlocken?«
    »Es gibt einige Rituale, die dienlich sind.«
    »Beherrscht du sie?«
    Sachmet musterte Antonia mit scharfem Blick. »Möchtest du, dass ich sie bei dir anwende?«
    Antonia zögerte. War das wirklich ihr Wunsch? Wollte sie sich heidnischen Ritualen hingeben, um etwas zu erzwingen, das ihr noch nicht gegeben war? Sie wusste, dass ihre Mutter ihr abgeraten hätte.
    Ihr Blick schweifte zurück zu Stephan, der noch immer seinen Hengst striegelte. Es mutete fast zärtlich an, wie er ihn versorgte. Der Falbe schnaubte und schüttelte die Mähne. Stephan hielt kurz inne, klopfte ihm den Hals und schien ihm etwas zuzuflüstern. Antonia wusste, dass er für sein Pferd größere Zuneigung empfand als die meisten Ritter, die in den Tieren nur das Symbol ihres Standes oder eine Möglichkeit zur Fortbewegung sahen. Selbst Rudolf und Alexander, die stets darauf achteten, dass ihre Lieblingspferde gut versorgt wurden, wären nie auf den Gedanken gekommen, sie selbst zu striegeln, solange es Stallburschen gab. Stephan hingegen schien es geradezu zu genießen, sich um seinen Hengst zu kümmern. Irgendwo in seinem Herzen gab es noch Liebe und Zärtlichkeit, auch wenn er sie nach außen hin nicht mehr zeigte. In diesem Punkt war Antonia fest davon überzeugt, dass ihre Mutter unrecht hatte. Stephan war kein Mensch, der irgendwann von sich aus um Hilfe bat. Er würde seinen Schmerz für immer in seiner Brust verschließen und weiter darunter leiden, immer darauf bedacht, dass niemand es spürte und ihm niemand zu nahekam.
    »Ja«, antwortete sie Sachmet nach einer ganzen Weile. »Ich möchte, dass du die Rituale anwendest.«
    Stephan ließ sich viel Zeit, seinen Hengst zu striegeln. Er hatte in seinem Leben nur zwei Pferde jemals sein Eigen genannt. Den alten Wallach, mit dem er sich dem Kreuzzug angeschlossen hatte, und diesen Hengst, den er von Anfang an zärtlich Windläufer genannt hatte. Von drei stolzen Rössern, die ein Ritter mit sich führen musste, um standesgemäß aufzutreten, konnte er nur träumen. Dennoch hatte er seit seiner Rückkehr keinen anderen beneidet. Windläufer war kein kräftiges Schlachtross, doch mit seiner Schnelligkeit den anderen Pferden überlegen. Selbst beim Kampf mit der Lanze. Der Hengst war noch sehr jung gewesen, als er ihn nahm. Karim konnte ihn kaum länger als einige Monate in Beritt gehabt haben. Auf der Flucht und dem langen, mühevollen Heimweg hatte sich das Pferd auf Stephan geprägt, gelernt, ihm

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