Die Tochter der Suendenheilerin
Deshalb habe ich dich gewarnt. Wärst du nur einen Schritt weitergegangen, hätte ich dich getötet.«
»Das hättest du nicht geschafft.«
Blitzschnell zog Stephan sein Messer aus dem Gürtel und schleuderte es in den Stamm einer Eiche.
»Nicht mit dem Schwert. Ich halte das Messer immer bereit. Merk dir das!«
Er ritt langsam auf den Stamm zu und zog seine Waffe heraus.
Karim saß wie versteinert im Sattel.
»Glaubst du es mir nun?«, fragte Stephan, als er das Messer in die Scheide zurückgeschoben hatte.
»Dass du mich getötet hättest?«
»Ja.«
Karims Blick schweifte zwischen Stephan und der Eiche hin und her.
»Vermutlich«, gab er zu.
Stephan trieb sein Pferd erneut an. Diesmal versuchte Karim nicht, zu ihm aufzuschließen.
18. Kapitel
V erflucht!« Ulf von Regenstein schlug so heftig mit der
Faust auf den Tisch, dass die Trinkpokale klirrten.
»Ich habe es gleich gesagt«, polterte Eberhard. »Wir hätten nicht auf den ersten Angriff warten sollen. Meinolf ist nicht unfehlbar.«
Der Gerügte lehnte sich gelassen auf seinem Stuhl zurück.
»Kein Grund zur Aufregung!«, erwiderte er mit einem so selbstzufriedenen Lächeln, dass Eberhard ihm am liebsten ins Gesicht geschlagen hätte. »Dann sollen die Bauern eben ihre Abgaben noch einmal entrichten.«
»Dummkopf!«, schrie Ulf. Eberhard grinste. Doch Meinolf schien die Beschimpfung nicht im Geringsten zu stören.
»Hör mir zu, Vater«, setzte er an. »Die Bauern werden murren, aber was schert es uns? Sie haben zu spuren.«
»Wenn wir die Bauern zu sehr auspressen, gibt es Unruhen«, widersprach Eberhard.
»Die wir dann gegen die Birkenfelder lenken werden. Und die sind doch so edel und gut, die werden gewiss nicht wollen, dass arme Bauernkinder hungern, wenn sie uns die Lieferungen rauben. Lass die Bauern hungern, dann werden die Birkenfelder sich künftig hüten, unsere Lieferungen zu überfallen.«
»Wie kommst du auf diesen Unsinn?«, schrie Ulf. »Weshalb sollte das Wohlergehen unserer Bauern den Grafen von Birkenfeld kümmern? Wir schneiden uns ins eigene Fleisch, wenn wir sie zu sehr auspressen.«
»Selbst wenn du recht hast«, warf Eberhard ein, »traue ich den Birkenfeldern zu, dass sie unsere Lieferungen überfallen und sie dann heimlich den Bauern überlassen. Damit hätten sie ergebene Zuträger.«
»Ein guter Einwand«, gab Meinolf zu. »Dann müssen wir dafür sorgen, dass sie selbst nichts mehr zu essen haben.«
»Du meinst, wir sollten ihre Lieferungen ebenfalls überfallen?«
»Nein, mit solchen Kindereien geben wir uns nicht ab. Wir sollten ihre Felder verheeren und die Dörfer anzünden.«
»Das widerspricht dem Fehderecht!«, rief Eberhard.
»Das Recht ist mit dem Stärkeren. Was soll schon geschehen? Herzog Leopold hat Graf Philip bereits einmal abgewiesen, weil er keine Geldmittel hat, ihn gegen uns zu unterstützen. Wenn wir die Felder der Birkenfelder verwüsten, wird uns niemand daran hindern. Und wenn die Hohnsteiner befürchten müssen, dass mit ihrem Land das Gleiche geschieht, ziehen sie sich womöglich aus der Fehde zurück. Gönnen wir den Birkenfeldern ihren kleinen Sieg. Und dann schlagen wir zurück. So hart und unbarmherzig wie möglich.«
Eberhard beobachtete, wie das Gesicht seines Vaters nachdenklich wurde.
»Da magst du recht haben«, erwiderte er. »Meinolf, du warst schon immer ein kluger Kopf. Ruft mir Hubertus! Er soll von den Bauern noch einmal die gleiche Höhe an Abgaben einfordern. Im Übrigen brechen wir das Fehderecht nicht, wenn unsere unzufriedenen Bauern die Felder der Birkenfelder niederbrennen.«
»Das werden sie nicht tun«, warf Eberhard ein.
»Nein«, gab sein Vater zu. »Aber wer soll schon dahinterkommen, wenn wir unsere Männer in alte Bauernkittel stecken? Dann erntet der Ägypter, was er gesät hat, während wir händereibend abwarten.«
»Warten wir noch einige Tage!«, schlug Meinolf vor. »Sollen die Birkenfelder ihren vermeintlichen Sieg ruhig auskosten, bevor die Flammen der Hölle über ihnen zusammenschlagen. Und gönnen wir ihnen den Beistand ihres neuen Kaplans. Ich habe läuten gehört, Hugo vom Waldsee werde morgen auf Birkenfeld erwartet.«
»Sehr gut, mein Sohn.«
Eberhard erhob sich und verließ den Raum. Er konnte Meinolfs selbstgefällige Miene nicht mehr ertragen. Zum ersten Mal bedauerte er, dass er sich an jenem Freitag vor Pfingsten von seiner Wut hatte hinreißen lassen. Hätte er Meret nicht entführt, wäre es niemals zu dieser Fehde
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