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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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gesagt, dass ich das Pferd nicht will. Und da wurde er erst richtig wütend.«
    Sachmet musterte Karim mit schief gelegtem Kopf. »Mangelt es dir wirklich an Scharfsinn, oder stellst du dich nur so einfältig?«
    »Was soll das heißen?«
    »Hast du nicht zugehört, was Antonia erzählte? Er hat dir seinen einzigen Besitz übergeben. Das ist ihm gewiss nicht leichtgefallen. Und du missachtest das Opfer, das er gebracht hat. Du hättest großmütig die Geste zur Versöhnung annehmen können. Aber nein, du musstest wieder einmal deiner Eitelkeit frönen.«
    »Ach, meinst du, er hätte sich dankbar gezeigt, wenn ich in lautes Jubelgeschrei ausgebrochen wäre?«
    »Nein, aber du hättest deinen Verstand benutzen können«, entgegnete Sachmet scharf. »Hättest ihn fragen können, ob er den Hengst kaufen will. Du bist doch Pferdehändler, oder?«
    »Antonia erwähnte doch gerade, dass er kaum Geld hat.«
    »Ich werde die Götter bitten, dich mit mehr Geistesgaben zu segnen. Du hättest ihm einen symbolischen Preis nennen können.«
    »Dann hätte er geglaubt, ich wolle ihn verspotten.«
    »Das wäre darauf angekommen, wie du es gesagt hättest.«
    »Warum sollte ich mir Gedanken über einen verdammten Pferdedieb machen?«, brüllte Karim. »Ihr tut ja gerade so, als hätte ich einen armen Mann bestohlen!«
    »Er hat immerhin einen Reichen bestohlen«, gab Sachmet zurück. »Dich hat damals doch nicht so sehr der Verlust des Pferdes geschmerzt. Du hast dich geärgert, dass deine Hilfe nicht gewürdigt wurde.«
    Einen Augenblick lang schien es, als wolle Karim zu einer heftigen Erwiderung ansetzen. Doch dann nickte er. »Du hast recht«, sagte er leise. »Ich wusste doch, dass es gut ist, mit dir zu reden.«
    Sie lächelte. »Und was wirst du jetzt tun?«
    »Ich überlege mir etwas.«
    »Gieß bloß kein Öl ins Feuer!«, warnte Sachmet.
    Karim nickte, erhob sich und verließ Sachmets Kammer.
    »Allmählich verstehe ich dich«, sagte Sachmet zu Antonia, kaum dass Karim gegangen war.
    »Was meinst du damit?«
    »Deine Vorliebe für Stephan. Er versucht etwas wiedergutzumachen, und Karim ist ein Trottel.«
    »Ein Trottel, für den du eine Schwäche hast«, bemerkte Antonia.
    Sachmet lächelte. »Ein wenig. Was ist – wollen wir mit dem Ritual fortfahren?« Sachmet griff nach der Kristallkugel, um sie an die ursprüngliche Stelle zu legen.
    »Heute nicht mehr. Mein Innerstes ist in Aufruhr, und ich könnte mich nicht von meinen Gedanken befreien.«
    »Stephan?« Zum wiederholten Mal hörte er Witolds Stimme, der vergebens an seine Tür klopfte. »Ist alles in Ordnung?«
    Er seufzte auf. Es hatte keinen Sinn, sich länger zu verstecken und um etwas zu trauern, das unwiederbringlich vorüber war. Hastig fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, um die letzten verdächtigen Spuren zu verwischen, die eines Mannes unwürdig waren. Dann stand er auf und öffnete die Tür.
    »Es ist alles gut«, sagte er.
    »Und ich bin der Kaiser von Byzanz«, entgegnete Witold.
    »Bist du befördert worden? Herzlichen Glückwunsch.«
    Witold seufzte. »Lass den Unsinn! Ich kenne dich gut genug und erkenne, wenn es dir schlecht geht. Also, was ist mit dir?«
    »Glaubst du, Graf Philip verkauft mir ein Pferd, das ich abarbeiten kann?«
    »Wozu brauchst du ein zweites Tier?«
    »Ich habe Windläufer Karim zurückgegeben.«
    »Oh.«
    »Also, glaubst du, der Graf verkauft mir ein Pferd und stundet mir die Bezahlung? Vierzig Denare kann ich sofort hinlegen.«
    »Bestimmt. Komm, meine Frau ist mit Ursel bei der Wäsche, wir haben die Stube für uns.«
    Stephan folgte Witold und nahm am Tisch Platz.
    Witold holte zwei tönerne Becher und einen Krug Schlehenwein aus einem Wandschrank. Er schenkte zwei Becher voll.
    »Hier! An manchen Tagen empfiehlt es sich, schon in der Frühe einen Schluck zu sich zu nehmen.«
    Stephan nahm den Becher und trank, mehr um Witold einen Gefallen zu erweisen, als von der Wirkung des Getränks überzeugt zu sein.
    »Du hast ihm also Windläufer zurückgegeben.«
    »Ja.«
    »Hat er das Tier zurückverlangt?«
    »Nein.«
    »Warum hast du es ihm dann gegeben?«
    »Meine Angelegenheit.«
    »Dein Stolz?«
    »Womöglich.«
    »Man sollte sich gut überlegen, ob man sich Stolz leisten kann.«
    »Ich weiß.«
    »Und kannst du ihn dir leisten?«
    Stephan drehte den Becher in der Hand und betrachtete das eingeritzte Muster.
    »Ich habe meinen Stolz oft genug verleugnet. Ich wollte überleben, Witold. Ich habe überlebt. Inzwischen

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