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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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vollständig zu vertrauen. Ebenso wie er dem Tier vertraute. Windläufer gehorchte auf den kleinsten Schenkeldruck, und nie wäre Stephan auf den Gedanken gekommen, dieses Tier scharf zu reiten – mit Sporen und Kandare, wie es bei vielen Rittern üblich war, deren Tiere nach harten Ritten oftmals mit blutigen Flanken und Mäulern in die Ställe zurückkehrten. Er achtete stets darauf, dass es seinem Tier an nichts fehlte, und das einzige Blut, das Windläufers Fell jemals benetzt hatte, war Stephans eigenes gewesen, an jenem Tag, als er ihn Karim gestohlen hatte.
    Gestohlen … ja, jedes andere Wort hätte die Tat nur beschönigt. Lange Zeit hatte er kaum darüber nachgedacht und fast vergessen, wie er zu seinem Pferd gekommen war. Zumal er sich auch nicht daran erinnern wollte, was davor geschehen war.
    Er klopfte Windläufer den Hals und legte den Striegel beiseite.
    Sollte er es wirklich tun? Niemand hatte ihn dazu aufgefordert. Er konnte einfach so weitermachen wie bisher. Die ganze Nacht hatte er sich mit dem Gedanken gequält, hatte wiederholt seine Barschaft gezählt. Seit er in Graf Philips Diensten stand, war er sparsam gewesen, hatte fast nichts von seinem Lohn verbraucht. Dennoch kam er nur auf dreiundvierzig Silberdenare. Ein gutes Pferd kostete rund hundertachtzig, eins von der Güte Windläufers weit über zweihundert. Wenn er den Hengst Karim zurückgab, könnte er sich in den nächsten Jahren kein eigenes Pferd leisten. Ein Ritter ohne Pferd und ohne Land. Was bedeutete da noch das Siegel des französischen Königs auf der zerfledderten Wappenrolle, die seinen Stand belegte? Nichts.
    Windläufer schnaubte und rieb den Kopf an Stephans Schulter.
    »Du machst es mir verdammt schwer, alter Junge«, flüsterte Stephan und klopfte ihm abermals den Hals.
    Sollte er Alexander fragen, ob der ihm eines der erbeuteten Regensteiner Pferde überließ? Nein, das kam nicht infrage. Er würde nicht betteln. Vielleicht machte der Graf ihm einen erschwinglichen Preis. Aber auch dann war jedes Tier noch immer mindestens hundert Silberdenare wert. Vermutlich ließ der Graf sich darauf ein, wenn er ihm den Betrag von seinem Lohn abzahlte. Er bekam fünf Silberdenare im Monat. Vierzig konnte er sofort geben, und wenn er jeden Monat drei zurückzahlte, würde ihm das Pferd in anderthalb Jahren gehören. Zwar kein Schlachtross und erst recht nicht mit Windläufers Vorzügen zu vergleichen, aber wenigstens ein eigenes Pferd.
    Vom Hof der Hauptburg her näherten sich Donatus und Karim. Stephan atmete noch einmal tief durch, dann löste er den Haltestrick und ging Karim mit dem Pferd entgegen.
    »Hier, das gehört dir«, sagte er grußlos und drückte Karim den Führstrick in die Hand. »Deinen Sattel habe ich leider nicht mehr. Dafür ist das Pferd aber hervorragend ausgebildet. Das dürfte den Verlust ausgleichen.«
    Karim starrte ihn verblüfft an, doch Stephan gab ihm keine Gelegenheit zur Erwiderung, sondern wandte sich um und ging. Er wollte nicht, dass Karim bemerkte, wie schwer es ihm fiel, sich von Windläufer zu trennen.
    »Warte!«, rief Karim ihm nach, doch Stephan ging unbeirrt weiter. Er hörte, wie Karims Schritte schneller wurden.
    »Ich sagte, du sollst warten!«
    Er spürte Karims Hand an der Schulter und wandte sich um.
    »Was willst du noch?«, fragte er ungehalten. »Du hast zurückbekommen, was dir gehört.«
    »Ich habe das Pferd nicht zurückverlangt.«
    »Nicht mit Worten«, entgegnete Stephan.
    »Hat es dich in deinem Stolz verletzt, dass ich dich Pferdedieb nannte?«
    »Nein.«
    »Was ist es dann?«
    »Lass gut sein. Hier hast du dein Pferd zurück, und damit sind wir quitt.«
    »Ich möchte, dass du es behältst.«
    »Ich nehme keine Almosen an. Es ist dein Pferd, das hast du oft genug betont. Und wenn du mir weiterhin nachläufst, dann macht deine Nase Bekanntschaft mit meiner Faust, Karim ben Said al-Musawar.«
    »Denkst du, ich habe Angst vor dir?«, zischte Karim.
    »Das ist mir gleich. Du sollst mich einfach nur in Ruhe lassen.«
    Karim blieb tatsächlich stehen, und Stephan flüchtete förmlich in Witolds Haus, schritt wortlos an dem Burghauptmann vorbei, der mit seiner Familie am Tisch saß, eilte in seine Kammer und schlug die Tür hinter sich zu. Er ließ sich aufs Bett fallen, vergrub das Gesicht in den Händen und gab den Kampf um seine Selbstbeherrschung auf. Das letzte Band war zerrissen, und die Tränen strömten ihm so heiß über das Gesicht, als wäre sein Bruder ein zweites

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