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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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irgendwann Witolds Platz als Burghauptmann einnehmen. Eine ehrenwerte Stellung, fürwahr, die seine Opfer allerdings nicht im Geringsten aufwog. Vermutlich hätte er es so wie Witold halten sollen. Niemals mehr vom Leben zu fordern, als einem von jeher zustand. Auch Witold stammte aus ritterbürtiger Familie, doch ebenso wie er selbst war er der jüngste Sohn, für den es keine andere Möglichkeit gab, als sich als Waffenknecht bei einem Herrn zu verdingen. Und dennoch war Witold zum Burghauptmann aufgestiegen, hatte in seiner Jugend an der Seite des Grafen den Orient bereist. Seine Zuverlässigkeit hatte dazu geführt, dass er das vollständige Vertrauen des Grafen genoss.
    Stephan seufzte. Hätten er und Thomas ihr Schicksal demütiger angenommen und weniger gehadert, dann hätte Thomas noch leben können. Vermutlich wären sie gemeinsam an jene Stelle gelangt, an der er nun allein stand. Was bedeutete die Ritterwürde schließlich, wenn der Ritter kein Geld besaß? Er konnte sich niemals ein standesgemäßes Auftreten leisten, doch das war ihm mittlerweile fast gleichgültig geworden. Was immer ihm noch offenstehen mochte, hätte er auch als Edelknecht erreichen können. Alles hinter ihm Liegende war wertlos. Ja mehr noch – es war sein Fluch.
    Mit einem Ruck stand er auf, griff nach seiner Kleidung und zog sich an. Er brauchte dringend frische Luft. Er löschte das Lämpchen und verließ leise Witolds Haus, um niemanden zu wecken.
    Im Osten graute bereits der Morgen und hüllte die Burg in blaues Licht. Morgenröte und Tageshelle ließen noch lange auf sich warten, doch das Ende der Nacht kündigte sich bereits an.
    Er stieg auf den Wehrgang. Der Blick über die heimatlichen Wälder hatte etwas Tröstliches. Davon hatte er geträumt, als die Freiheit noch in weiter Ferne lag.
    »Bist du aus dem Bett gefallen?«, hörte er eine Stimme. Nikolaus hatte die Nachtwache.
    »Sieht so aus«, antwortete er.
    »Das widerfährt dir in letzter Zeit oft.«
    »Mag sein.«
    »Sag mir« – Nikolaus trat einen Schritt näher – »stimmt’s, dass du der schönen Antonia den Kopf verdreht hast?«
    »Nein.«
    »Nein? Hier macht aber eine ganz andere Geschichte die Runde. Die junge Dame scheint bis über beide Ohren in dich verliebt zu sein.«
    »Das ist nur Klatsch.«
    »So, so.«
    »Grins nicht so dämlich!«
    »Ein rechter Mann würde die Gelegenheit beim Schopf packen.«
    »Wenn ich noch einmal höre, dass du die Ehre von Fräulein Antonia beschmutzt, landest du im Burggraben.«
    »Meine Güte, dein Sturz aus dem Bett muss wahrhaft heftig gewesen sein.«
    Stephan wollte sich schon abwenden, da bemerkte er in weiter Ferne mehrere Lichter im Wald.
    »Sieh dort!«, rief er Nikolaus zu und wies in die Richtung. »Das sieht ganz nach Reitern mit Fackeln aus.«
    »Sie halten auf Alvelingeroth zu.«
    »Schlag Alarm!«
    »Wegen ein paar Reitern auf der Straße nach Alvelingeroth?«
    »Schlag Alarm!«, wiederholte Stephan. »Das ist der Weg nach Blankenburg!«
    »Aber …«
    »Ich nehme es auf mich, wenn es ein falscher Alarm war. Aber den Regensteinern und vor allem Meinolf von Brack traue ich jede Hinterlist zu!«
    Stephan hastete zur Treppe.
    »Wohin willst du?«, rief Nikolaus ihm nach.
    »Mein Pferd holen!«
    Nikolaus schlug Alarm, und noch während Stephan sein Pferd Windläufer sattelte, war der Hof voller Männer in Waffen. Auch Alexander und die Ägypter befanden sich darunter.
    »Was ist geschehen?«, fragte Alexander.
    »Reiter mit Fackeln sind auf dem Weg nach Alvelingeroth«, erklärte Stephan und schwang sich in den Sattel. »Ich fürchte einen Überfall auf die Bauern.«
    »Das widerspricht dem Fehderecht«, warf Alexander ein.
    »Was hilft uns das, wenn die Höfe abgefackelt werden?«
    »Gut, zwanzig Mann kommen mit, der Rest hält hier die Stellung«, befahl Alexander. Soeben war auch sein Vater im Hof erschienen.
    »Was liegt an?«, rief der Graf seinem Sohn zu.
    »Stephan glaubt, die Regensteiner überfallen Alvelingeroth. Wir sehen nach dem Rechten.«
    Graf Philip nickte. »Passt gut auf euch auf!«
    Mittlerweile zogen sich die ersten Finger der Morgenröte über den Horizont, und sie konnten auf Fackeln verzichten. Stephan bemerkte, dass Karim sein Pferd neben das seine gelenkt hatte. Warum konnte der Ägypter ihn nicht einfach in Frieden lassen? Warum schien er seine Nähe geradezu zu suchen? Er trieb Windläufer zum Galopp und schloss zu Alexander auf, der die Führung übernommen hatte. Karim blieb an seiner

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