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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Seite.
    »Verdammt, seht ihr das?«, rief Alexander und deutete auf den roten Schein, der den Himmel hinter dem Waldstück erleuchtete, das sie noch von Alvelingeroth trennte.
    »Sie haben tatsächlich Feuer gelegt«, zischte Stephan. Wie schon in der Nacht drohten ihn die Bilder der Vergangenheit zu überwältigen, Erinnerungen an Feuer und Tod, an Schreie und Qual. Feuer konnte eine grausame Waffe sein. Die grausamste überhaupt …
    Die Schreie seiner Erinnerung mischten sich mit dem Gebrüll der Gegenwart, als sie das Dorf erreichten. Mehrere Männer hatten die Felder in Brand gesetzt, trieben die Menschen aus den Häusern, warfen Fackeln in die Gebäude. Stephan zog sein Schwert und galoppierte auf die Brandschatzer zu. Der Angriff kam für die Täter vollkommen unerwartet. Hastig ließen sie von ihren Opfern ab, versuchten sich zu verteidigen, doch schon waren sie von Alexanders Männern umringt.
    Stephan hieb noch vom Pferd aus einem Mann in den Schwertarm, der schreiend in die Knie brach. Dann sprang er aus dem Sattel und stellte sich den Übrigen. Wieder war Karim an seiner Seite, in jeder Hand einen krummen Säbel. Einen Moment lang hielt Stephan in seinem eigenen Angriff inne, beobachtete, wie geschickt Karim die Säbel tanzen ließ, einen Mann entwaffnete, der sich sofort ergab.
    »Das war gut«, hörte er sich selbst rufen, ohne es zu wollen.
    Karim lächelte. »Das habe ich von meinem Vater gelernt.«
    Der Schrei einer Frau! So voller Qual und Furcht, dass Stephan an einen anderen Vorfall gemahnt wurde. An einen Schrei, der vor langer Zeit ausgestoßen worden war.
    »Mein Kind!«, schrie sie. »Mein Kind ist noch dort drinnen!« Sie wies auf eines der beiden brennenden Häuser. Mehrere Bauern waren dabei, eine Eimerkette zu bilden, doch die Flammen züngelten bereits aus den Fenstern.
    Karim wollte sich ins Innere des Hauses stürzen, doch Stephan hielt ihn zurück. »Nicht so!«, zischte er. »Gib mir deinen Umhang!«
    Karim folgte der Aufforderung. »Was hast du vor?«, fragte er, während Stephan sich seinen Mantel samt Kapuze überwarf, dann einem der Bauern den vollen Wassereimer aus der Hand riss und sich den eisigen Inhalt von oben über den Kopf und den Mantel schüttete.
    »Sobald ich mit dem Kind herauskomme, überschüttet ihr uns sofort mit Wasser, ist das klar?«, herrschte er den Mann an, während er ihm den leeren Eimer zurückreichte.
    »Ich begleite dich!«, rief Karim.
    »Du bleibst draußen!«
    »Hör zu – du kannst jede Hilfe gebrauchen.«
    »Nicht hierbei!«
    »Aber …«
    »Vertrau mir einfach!«, schnitt Stephan ihm das Wort ab. Dann stürzte er sich in das brennende Haus. Der dichte Qualm nahm ihm die Sicht. Wo mochte das Kind sein? Ringsum vernahm er das Prasseln des Feuers, das Knacken des Gebälks, spürte die Hitze, die ihm entgegenschlug. Es war ein einfaches Bauernhaus, ein einziger großer Raum. Das erleichterte sein Vorgehen. Ganz anders als damals … er schüttelte die unangenehme Erinnerung ab. Er durfte nicht wieder daran denken, sonst würde ihn der Mut verlassen. Hier war es anders, keine einstürzenden Balken. Da! Ein Greinen in der Ecke des Raums. Eiligst folgte er den Lauten, versuchte nicht an die züngelnden Flammen zu denken, die nach seiner nassen Kleidung leckten. Trotz der Hitze wurde ihm kalt, so kalt wie stets, wenn die Furcht ihn zu übermannen drohte. Er holte tief Luft. Ein Fehler – der Rauch raubte ihm den Atem. Er hustete, fürchtete schon, sich übergeben zu müssen. Mit einer fahrigen Bewegung zog er die Kapuze tiefer ins Gesicht. Da entdeckte er den Kinderkörper. Zusammengekauert hinter einem umgestürzten Tisch. Es war ein blondes Mädchen von höchstens vier Jahren.
    »Alles wird gut«, flüsterte er ihr zu, während er sich zu ihr niederbeugte und sie aufhob. »Ich bringe dich zu deiner Mutter.«
    Sie klammerte sich wimmernd an ihm fest. Er hielt sie mit der Linken, presste sie an sich, hüllte sie in seinen nassen Mantel, bis sie ganz darunter verborgen war. Der Eingang stand in Flammen, aber es war noch keine undurchdringliche Feuerwand. Wenn er genügend Mut aufbrachte, schnell hindurchhastete … Er zögerte. Der längst vergessene Schmerz kroch ihm den Rücken hinauf, drohte ihn für einen Augenblick zu lähmen.
    Sei kein verdammter Feigling!, schalt er sich in Gedanken. Dieses Feuer ist nichts im Vergleich zu damals.
    Er drückte das Mädchen noch fester an sich, achtete darauf, dass sie vollständig unter dem feuchten Stoff

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