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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Alexander lachten, doch Stephan wandte sich ab. Derartige Kindereien waren ihm fremd geworden. Sein Blick schweifte in Richtung der Burg, und so gewahrte er drei Reiter, die sich von dort aus dem Dorf näherten. Es waren Antonia, Sachmet und Donatus. Was würden die beiden Frauen wohl bei diesem Anblick empfinden? Soeben hatte man Meinolf den letzten Fetzen vom Leib gerissen und ihn zwischen seine nackten Männer gestoßen. Es gab ein großes Gejohle und Gelächter. Ganz so, als befände man sich auf dem Jahrmarkt zu Halberstadt. Trotz seiner Vorbehalte musste Stephan sich eingestehen, dass der Anblick des Regensteiner Bastards im Adamskostüm mit zornentflammter Miene etwas Erheiterndes hatte.
    »Was ist denn das?« Sachmets Stimme schwirrte durch die Luft, dann hörte er ihr Lachen. Er wandte sich um. Die Frauen und Donatus hatten das Dorf erreicht. Antonia stutzte kurz und stimmte herzhaft in das Gelächter ein.
    »Hier bekommt man ja etwas geboten!«, rief Donatus. »Ich hätte gern den Anfang der Geschichte miterlebt.« Philips Bruder stieg vom Pferd. Sachmet und Antonia taten es ihm gleich.
    »So ist es, wenn man Rechtsbrechern nur das nackte Leben lässt«, erklärte Alexander immer noch lachend. »So, Herr Meinolf, nun habt Ihr uns alles gegeben und sollt dafür Euer Leben behalten. Kehrt zurück nach Regenstein und grüßt Euren Vater schön von mir!« Er deutete eine spöttische Verbeugung an.
    »Das wirst du mir büßen!«, schrie Meinolf.
    »Spart Euren Atem, Herr Meinolf. Auf bloßen Füßen werdet Ihr wohl vier Stunden bis Regenstein unterwegs sein.«
    Abermals erhob sich Gelächter, als sich der nackte Trupp in die Wälder flüchtete. Stephan bemerkte, dass Antonia ihn ansah. Er zog das Leinentuch fester um den Oberkörper und verhüllte damit die Narben auf dem Rücken. Wie gut, dass er noch Bruche, Beinlinge und Stiefel trug. Fast erwartete er, dass sie auf ihn zugehen und ihn ansprechen würde. Doch als sie bemerkte, dass er ihren Blick erwiderte, senkte sie verlegen die Lider. Hatte sie von dem Klatsch gehört, der sie beide betraf? Hielt sie sich deshalb zurück? Ein leises Bedauern breitete sich in seiner Brust aus. Er hatte die kleinen Wortspielereien mit ihr geschätzt, die Art, wie sie versuchte, seinen Harnisch zu durchbrechen. Manchmal hatte er sich regelrecht danach gesehnt, dass es ihr gelänge, doch er war vorsichtig geblieben. Nie war er sich sicher, ob sie tatsächlich mehr für ihn empfand als oberflächliche Freundlichkeit und Neckerei. Ganz gleich, was andere reden mochten.
    Sein Hemd und Bliaut hingen in der Nähe einer Feuerstelle auf der Leine. Ob sie wohl schon trocken waren? Er ging hinüber und befühlte den Stoff. Er war noch etwas feucht, aber die Kleidung würde am Körper trocknen. Während er sich anzog, achtete er unwillkürlich darauf, Antonia nicht den Rücken zuzuwenden. Ein völlig neues Gefühl, hatte er sich seiner Narben doch nie geschämt. Es waren auch nicht die Narben. Es war die Furcht vor der Geschichte dahinter. Dass sie mehr wissen wollte. Und falls sie ihm Fragen stellen sollte – würde er ihr antworten? Manchmal drängte es ihn, sich der alten Geschichten zu entledigen. Zugleich fürchtete er sich, zu viel von sich preiszugeben. Erst recht einer Frau wie Antonia gegenüber.
    Als hätte sie gespürt, dass er an sie dachte, stand sie plötzlich neben ihm. Ihre Wangen waren vom Lachen gerötet, ihre Augen blitzten keck. Kein Wunder, dass Nikolaus sie die schöne Antonia genannt hatte.
    »Euch belustigt das Schauspiel gar nicht, Herr Stephan?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wir wurden Zeugen, wie aus einem Feind ein Todfeind wurde.«
    Das fröhliche Leuchten ihrer Augen erlosch.
    »Glaubt Ihr das wirklich?«
    »Ja.«
    »Aber es war doch ein Scherz. Für seine Taten hätte er eine weitaus härtere Strafe verdient.«
    »Gibt es eine härtere Strafe, als ihm die Würde zu nehmen?«
    »Kann ein Mensch einem anderen überhaupt die Würde nehmen?« Sie blickte ihm unverwandt in die Augen. »Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Demütigung, die ihn in seiner Ehre kränkt?«
    »Worin seht Ihr den Unterschied, Fräulein Antonia?«
    »Ich glaube, Würde ist ein Wert, der einen Menschen auszeichnet. Ein Wert, den er sich bewahrt, mag er auch noch so tief gedemütigt werden. Die Würde kann ein Mensch nur durch eigene Taten verlieren.«
    Er wollte schon zum Widerspruch ansetzen, als er den tieferen Sinn ihrer Worte erkannte. Thomas hätte seinen Gefallen

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