Die Tochter der Suendenheilerin
verborgen war. Dann rannte er los, spürte kaum die Hitze, als er mit ihr den Vorhang aus Feuer durchstieß, hinaus aus dem Qualm und der Höllenglut. Sofort fühlte er, wie sie von eisigem Wasser übergossen wurden. Das kleine Mädchen in seinen Armen schrie auf, weinte, doch das war nur der Schreck über den kalten Guss. Er warf den nassen Umhang ab und setzte das Kind auf den Boden. Sofort war die Mutter bei ihm.
»Danke, Herr!«, rief sie immer wieder, während sie ihr Kind an sich presste. Stephan nickte nur, warf einen Blick auf das Kampffeld. Die Brandstifter waren überwältigt. Er erkannte Meinolf von Brack unter den Gefangenen. Der Bastard hatte sich tatsächlich nicht gescheut, sich als Bauer zu verkleiden, um mit seinen Kumpanen gegen das Fehderecht zu verstoßen. Wie würde Alexander wohl mit ihm verfahren? Ihn als Austauschgeisel behalten? Allerdings bezweifelte Stephan, dass Ulf von Regenstein beide kostbaren Geiseln gegen den Bastard austauschen würde. Allenfalls Rudolf, aber der würde Meret nie allein zurücklassen.
Der frische Morgenwind zerrte an Stephans nassen Kleidern, und er fröstelte. Neben ihm stand Karim.
»Besorgst du mir ein Tuch zum Abtrocknen?«, fragte er. Karim nickte und kehrte kurz darauf mit mehreren Leinentüchern zurück. Stephan hatte sich inzwischen bereits Bliaut und Hemd ausgezogen und griff dankbar nach dem trockenen Stoff.
»Du hast nicht zum ersten Mal einen Menschen aus dem Feuer gerettet«, bemerkte Karim. »Hast du mich deshalb zurückgehalten?«
Stephan nickte. »Weißt du, was geschieht, wenn du ungeschützt ins Feuer rennst?«, fragte er und wandte seinem Gegenüber den nackten Rücken zu.
Er hörte Karim entsetzt aufkeuchen. Kein Wunder, dachte Stephan. Die alten Brandnarben verunstalteten die gesamte obere Hälfte seines Rückens und die Schultern, dort, wo ihn einst der brennende Balken getroffen hatte. Er wandte sich wieder zu Karim um und legte sich das Tuch um die Schultern.
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. Er sah das Erschrecken in Karims Augen, dann die Frage.
»Du hast dich dennoch erneut ins Feuer gewagt? Das war verdammt mutig!«
»Du wärst genauso mutig gewesen«, entgegnete Stephan. »Aber ich wollte nicht, dass jemand meinen alten Fehler wiederholt.«
»Danke«, antwortete Karim leise.
Stephan nickte nur und bat eine der Bäuerinnen, seine Kleidung zum Trocknen aufzuhängen. Dann trat er auf Alexander zu.
»Wie wirst du mit den Gefangenen verfahren?«
»Sie haben das Fehderecht gebrochen und Ackerland verwüstet.« Alexander wies auf die noch immer glimmenden Felder, die ebenso wie die brennenden Häuser nur mühsam gelöscht werden konnten. »Eigentlich hätten sie den Tod verdient.«
»Du solltest ihnen das nackte Leben lassen«, meinte Stephan.
»Das nackte Leben?« Ein belustigter Zug huschte über Alexanders Gesicht. »Das ist ein guter Gedanke.«
Stephan starrte Alexander an. Er hatte keinen Witz gemacht, sondern seine Worte ernst gemeint. Auch wenn er Meinolf von Brack nicht ausstehen konnte, so wünschte er ihm dennoch nicht den Tod. Womöglich wäre er anderer Meinung gewesen, hätte die Kleine in dem brennenden Haus den Tod gefunden. Aber sie lebte.
Alexander bemerkte nicht, in welche Verwirrung er ihn gestürzt hatte, sondern schritt auf die entwaffneten Gefangenen zu, die von seinen Männern umringt wurden.
»Ihr habt in abscheulicher Weise gegen das Fehderecht verstoßen, Herr Meinolf. Jedermann weiß, dass Bauern und Land nicht zu Schaden kommen dürfen. Eure Streitigkeiten habt Ihr allein mit den Mitgliedern meiner Familie auszutragen. Eigentlich hättet Ihr dafür den Tod verdient, und niemand könnte es uns verargen. Aber ich will großmütig sein und Euch und Euren Männern das nackte Leben lassen.« Er machte eine bedeutungsschwangere Pause.
»Ausziehen!«, befahl er dann.
»Was?«, brüllte Meinolf. »Das ist nicht Euer Ernst!«
»Wir werden Euch das nackte Leben lassen – nicht mehr. Ihr könnt es Euch aussuchen, Herr Meinolf. Eure Kleider oder Euer Leben.«
»Das wagt Ihr nicht!«
»Wir wagen alles.« Alexander lachte. »Aber wenn Ihr so scheu wie eine Jungfer seid, so werden Euch die Bauern von Alvelingeroth gewiss zu helfen wissen.«
»Und ob sie das wissen!«, rief einer der Bauern, der bis eben noch gelöscht hatte. »Schnappen wir sie uns!«
Im nächsten Augenblick sahen sich die Regensteiner einer wilden Meute gegenüber, und selbst die Frauen beteiligten sich an dem Geschehen. Karim und
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