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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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daran gefunden. Sein Bruder hatte es meisterlich verstanden, seine Würde zu bewahren, mochten die äußeren Umstände noch so demütigend sein.
    »Woran denkt Ihr, Herr Stephan?«
    »Ich stelle mir gerade vor, wie sich mein Bruder Thomas an Meinolfs Stelle verhalten hätte.«
    »Und?«
    »Er hätte sich die Demütigung erspart, sich die Lumpen vom Leib reißen zu lassen. Er hätte Alexander die Kleidungsstücke vor die Füße geworfen und gesagt, er habe schon gewusst, warum er nur in billigen Bauernkleidern aufgetreten sei. Die könne er verschmerzen.«
    Antonia kicherte. »Nur hätte Euer Bruder gewiss niemals so ehrlos gehandelt, dass er in eine solche Lage geraten wäre.«
    »Manchmal, Fräulein Antonia, gerät man gerade durch ehrenvolles Handeln in eine solche Lage.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Vergesst es einfach.«
    »Ich möchte es aber nicht vergessen. Ist Euch etwas aufgefallen? Wir haben noch nie so viele Worte miteinander gewechselt wie heute.«
    »Werde ich schwatzhaft?«
    Sie lachte. »Fast kommt es mir so vor.«
    »Verzeiht.«
    »Es gefällt mir.«
    »So?«
    »Ja. Werdet Ihr die Gewohnheit beibehalten?«
    »Vielleicht.«
    »Wann?«
    »Manchmal.«
    »Wann ist manchmal?« Sie blitzte ihn mutwillig an.
    »Gelegentlich.«
    »Jetzt soll ich mir wohl wieder die Zähne an Euch ausbeißen, wie?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Man beobachtet uns«, raunte er ihr zu. »Wir geben wieder Anlass zum Klatsch.«
    Sie sah sich um und bemerkte mehrere von Alexanders Männern, die zu ihnen herübersahen.
    »Fürchtet Ihr um Euren Ruf, Herr Stephan?«
    »Nur um den Euren.«
    »Den weiß ich zu wahren.«
    »Hoffentlich.«
    »Worum sorgt Ihr Euch dann?«
    »Um den Burggraben.«
    »Um den Burggraben?« Sie hob die Brauen und maß ihn mit strengem Blick.
    »Er könnte überlaufen, wenn ich dort jeden hineinwerfen muss, der Euren Ruf durch üble Nachrede beschmutzt.«
    Sie lachte. »Dazu lasst Ihr Euch womöglich hinreißen?«
    »Bei meiner Ehre – ja.«
    »Dann wollen wir hoffen, dass der Graben tief genug ist.« Sie berührte ihn scheinbar absichtslos am Arm, ließ ihn stehen und schlenderte zu Sachmet hinüber.

 23. Kapitel  
    S ag, Vater, was ist mit dir?«
    Eberhard spürte die Hände seiner Tochter auf den Schultern und wandte sich auf seinem Stuhl zu ihr um. Sie war ihm unbemerkt in die verlassene Kemenate ihrer Mutter gefolgt. An einen Ort, wo er Zuflucht suchte, wenn er mit seinen Gedanken allein sein wollte. Nach Madlens Tod hatte er allen untersagt, auch nur die kleinste Veränderung in ihrem Gemach vorzunehmen.
    »Du vermisst Mutter noch immer schmerzlich, nicht wahr?«
    Er erhob sich und ergriff ihre Hände. »Du wirst ihr immer ähnlicher, Sibylla. Du bist eine bezaubernde junge Frau geworden.«
    Sie senkte den Blick. »War es dir eigentlich ernst mit deiner Werbung um Antonia?«
    »Sie ist ein hübsches Mädchen, hat Feuer und Geist.«
    »Sie ist achtzehn, du bist vierzig, Vater. Wäre das wirklich eine kluge Verbindung?«
    »Viele Männer ehelichen jüngere Frauen. Das ist nichts Ungewöhnliches.«
    Sibylla nickte. »Das mag sein. Aber was hättest du gesagt, wenn der Graf von Birkenfeld verwitwet wäre und um mich angehalten hätte?«
    »Philip?«, stieß Eberhard hervor. »Du bist siebzehn, er wird bald fünfzig.«
    »Du hättest ihn also abgewiesen.«
    »Selbstverständlich!«
    »Wegen seines Alters oder weil du ihn nicht magst?«
    »Beides.«
    »Und wenn er dann, aus lauter Wut über deine Zurückweisung, den kleinen Burchard entführt hätte? Was hättest du dann getan?«
    »Du willst also sagen, es sei nicht recht gewesen, Meret zu entführen?«
    »Vater, wie könnte ich dein Handeln jemals zu einem Unrecht erklären? Du warst verärgert. Aber ist das Ergebnis deines Vorgehens noch rechtens?«
    Sie musterte ihn mit dem gleichen Blick, mit dem Madlen ihn stets bedacht hatte, wenn sie einen Tadel hinter Zuneigungsbekundungen versteckte. Er wollte und musste sich vor seiner Tochter nicht rechtfertigen. Und doch fühlte er sich plötzlich schuldig. Genauso war es ihm mit ihrer verstorbenen Mutter ergangen.
    Ein leises Klopfen enthob Eberhard einer Antwort.
    »Herr Eberhard?« Eine der Mägde streckte den Kopf zur Tür herein. »Euer Vater wünscht Euch und Fräulein Sibylla im Kaminsaal zu sehen. Es ist Besuch erschienen.«
    »Besuch? Wer ist gekommen?«
    »Die wohledle Frau Alheidis.«
    »Tante Alheidis?«, rief Sibylla erfreut. »Wie schön! Komm, Vater, begrüßen wir sie!«
    Eberhard schluckte.

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