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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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Wakur ihn an die Kette legen konnte, fragte er mich leise nach meinem Befinden. Daraufhin riss Wakur ihn an der Kette zurück. Nicht heftig oder gewalttätig, das war nicht seine Art. Aber ganz offenkundig erzürnte ihn Thomas’ Verhalten.«
    »Weshalb?« Überrascht hob Karim den Kopf. »Dein Bruder hatte doch gar nichts getan.«
    »Wakur sagte etwas zu Thomas, das ich natürlich wieder nicht verstand. Später, als wir allein waren, übersetzte mir Thomas den Wortwechsel. ›Ihr werdet in Gegenwart anderer nicht in eurer Sprache reden!‹, hatte der Aufseher ihn angeherrscht.
    ›Mein Bruder versteht kein Arabisch‹, widersprach Thomas.
    ›Dann wird er es lernen‹, lautete die mitleidlose Antwort.
    ›Darf ich ihm wenigstens übersetzen?‹
    ›Nur wenn ich es dir erlaube, sonst nicht. Redet, wie ihr wollt, wenn ihr allein seid. Aber niemals, wenn ich dabei bin.‹
    Ich sah, wie Thomas sich auf die Unterlippe biss, um sich zu keinen weiteren Unhöflichkeiten hinreißen zu lassen. Wakur hatte es ebenfalls bemerkt. ›Hast du sonst noch etwas zu sagen?‹, fragte er meinen Bruder.
    ›Nein.‹
    ›Das ist auch besser für dich.‹ Dann ging er.
    Als ich von Wakurs Forderung erfuhr, wurde ich wütend. Aber Thomas beruhigte mich und meinte, es sei ohnehin an der Zeit, dass ich Arabisch lernte, denn das könne bei unseren Fluchtplänen nur hilfreich sein. Er hatte von jeher die Fähigkeit, mich zu besänftigen.«
    »Hast du Wakur für sein Verhalten gehasst?«
    »Nein. Ich war wütend, aber ich konnte ihn verstehen. Während meine Wunden langsam verheilten, hatte ich in den nächsten Tagen Zeit zum Nachdenken. Es ging Wakur nicht darum, uns zu demütigen. Er wollte einfach sichergehen, dass wir ihm keinen Ärger bereiteten. Wir waren schließlich keine gewöhnlichen Sklaven, sondern ehemalige Kreuzritter. Er musste auf Widerstand gefasst sein. Wie bei diesem Franzosen … ist noch Wein da?«
    Karim nickte und schenkte Stephan nach.
    »Was war mit dem Franzosen?«, fragte er.
    »Er wurde einige Tage nach uns in die Sklavenunterkunft gebracht. Aber der Bursche führte sich auf wie ein Wilder. Wehrte sich, schrie und tobte, bis Wakurs Gehilfen auf ihn einprügelten, ihn niederzwangen und an die Kette legten. Er ließ sich nur mit Mühe bändigen und begriff nicht, dass Nachgeben klüger gewesen wäre. Als die Männer bereits die Tür hinter uns zuschlugen, rief er ihnen noch immer Verwünschungen nach. Sobald wir allein waren, sprach ich ihn an. Da gab er mir bereitwillig Auskunft. Er hieß Sebastien, war aus einem der Gefangenenlager in der Wüste geflohen, erneut in Gefangenschaft geraten und an Rafik ben Tahir verkauft worden. ›Aber wenn diese Ungläubigen mich wie einen Hund abrichten wollen, damit ich für sie Kunststücke vorführe, dann haben sie sich geirrt‹, beendete er seine Erzählung. Ich versuchte, mäßigend auf ihn einzuwirken, ihm zu erklären, dass Einlenken zunächst besser sei. ›Niemals!‹, beharrte er. Als Thomas am Abend in die Unterkunft zurückgebracht wurde und ohne Aufforderung niederkniete, damit Wakur ihn an die Kette legen konnte, geriet Sebastien außer sich. ›Du ehrloser Hund!‹, brüllte er auf Französisch. ›Du erniedrigst dich vor den Ungläubigen! Ich spucke auf dich!‹
    Thomas starrte den Neuling verblüfft an, sagte aber kein Wort.
    Dafür gab Wakur Thomas den Rat, seinen Landsmann zur Wohlgefälligkeit anzuhalten.
    ›Er ist kein Landsmann von uns‹, erwiderte Thomas. ›Er ist Franzose.‹ Er hatte es dem französischen König nie vergeben, dass dieser vor dem Sultan von Kairo kapituliert und damit hunderttausend Männer dem Tod ausgeliefert hatte, um sein eigenes Leben zu retten.
    ›Was ist der Unterschied?‹, wollte Wakur wissen.
    ›Ein anderer Stamm‹, antwortete Thomas. ›Wir kommen aus anderen Ländern, haben einen anderen König, sprechen eine andere Sprache.‹
    ›Aber du verstehst seine Sprache.‹
    ›Ja.‹
    ›Was hat er geschrien?‹
    ›Das galt mir, nicht dir.‹
    ›Ich will wissen, was er geschrien hat.‹
    ›Ich sei ein ehrloser Hund.‹
    ›Besser als ein geprügelter Hund wie er‹, bemerkte Wakur und verließ die Unterkunft.«
    »Was wurde aus diesem Sebastien?«
    »Ein Mann, der in seinem Hass nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte. Er tat alles, um Wakurs Zorn heraufzubeschwören, nahm Schläge und Nahrungsentzug billigend in Kauf. Ja, er fand offenbar sogar Gefallen an seiner Rolle als Märtyrer. Er beschimpfte uns,

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