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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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im Sattel, wie sie es von ihm gewohnt war.
    »Wusstest du das nicht?«, antwortete sie. »Du beherrschst es doch auch, nicht wahr?«
    Stephan nickte.
    »Wollen wir uns dann nicht lieber auf Arabisch unterhalten, solange wir mit Begleitern reiten, die unserer Sprache nicht mächtig sind?«
    Auf einmal verfinsterte sich seine Miene. »Muss das sein?«
    Sein plötzlicher Stimmungsumschwung verunsicherte sie.
    »Ich dachte …«, sie zögerte. »Es wäre einfach höflich, damit sie uns verstehen.«
    Stephans Kiefer pressten sich so heftig zusammen, dass seine Wangenmuskeln hervortraten.
    »Was ist?«, fragte Antonia. »Du siehst mich an, als hätte ich etwas Unanständiges von dir verlangt.«
    »Nein«, beschwichtigte er sie sogleich. »Es ist nur so … ich verstehe sehr gut Arabisch, aber ich hatte immer Schwierigkeiten mit der Aussprache. Ich habe mir damals angewöhnt, mit so wenigen Worten wie möglich zu antworten.«
    »Das tust du doch immer.«
    »Mittlerweile.«
    »Früher nicht?«
    »Nein.«
    »Hast du inzwischen etwa auch Schwierigkeiten mit der deutschen Aussprache?« Sie blitzte ihn keck an, doch er blieb ernst.
    »Nein.«
    »Und warum bist du dann so wortkarg?«
    »Es macht vieles leichter.«
    »Leichter?«
    »Ich erkenne, wem wirklich etwas an mir liegt.«
    »Indem du wenig redest?«
    Er nickte. »Wer nur auf Klatsch und seichtes Geplänkel aus ist, verliert bald die Lust an einem Gesprächspartner, der kaum antwortet, denn er hört nicht die Botschaften in der Wahl der Worte.«
    Antonia lächelte. »Die Veränderung von womöglich zu gewiss? «
    »Du hast es immer verstanden«, bestätigte er. »Das hat mir gefallen.«
    »Und Karim?«
    »Das ist etwas anderes. Wir teilen eine Geschichte.«
    »Eine Geschichte?«
    »Manches lässt sich nur mit einem Menschen teilen, der Ähnliches erlebt hat.«
    »Meiner Mutter haben sich viele Menschen anvertraut, die Schlimmes erlebt haben.«
    »Deiner Mutter ist selbst großes Leid widerfahren. Jeder kennt die Geschichte.«
    »Demnach kann also nur der das Leid eines anderen lindern, der selbst Leid kennt?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    Er hob den Kopf und blickte ihr unverwandt in die Augen. »Ich möchte, dass die Vergangenheit dort bleibt, wo sie hingehört. Karim ist Teil dieser Vergangenheit. Du zählst nicht dazu. Du bist die Gegenwart, und ich möchte dich damit nicht belasten, denn …« Er brach ab und sah zu Boden.
    »Denn was?«, beharrte sie.
    »Lass es für heute gut sein, ja?«
    Sie erkannte die inständige Bitte in seinen Augen. Doch als sie nicht sofort antwortete, wirkte er plötzlich wieder verunsichert.
    »Gewiss«, sagte sie schließlich und freute sich über sein belustigtes Kopfschütteln, als sie seine bevorzugte Wortwahl nachahmte.
    Am frühen Abend erreichten die Reisenden das Kloster Sankt Michaelis. Es war ein gut geschütztes Anwesen mit hohen Mauern. Antonia hatte es in der Vergangenheit bereits mehrfach besucht. Sie kannte die Klosterkirche, den Kreuzgang und die wunderschön angelegten Gärten, in denen neben Heilpflanzen auch die unterschiedlichsten Gemüsesorten wuchsen. Vom Turm der Klosterkirche aus, den sie als neugieriges Kind in Begleitung der Mutter Oberin hatte besteigen dürfen, war das nahe gelegene Mönchskloster Sankt Andreas zu sehen.
    »Wir warten, bis ihr eingelassen werdet«, sagte Stephan. »Dann reiten wir nach Sankt Andreas. Ich hoffe, wir stellen die frommen Brüder nicht vor allzu große Herausforderungen.«
    Sachmet runzelte die Stirn. »Eigentlich sollte meine Garde bei mir bleiben.«
    »Ich fürchte, in den Gästekammern eines Nonnenklosters sind zwölf Männer wenig willkommen.«
    »Stephan hat recht«, bestätigte Antonia. »Es ist besser so.«
    »Wir kehren morgen Vormittag zurück und holen euch ab«, versprach er.
    Die beiden jungen Frauen mussten nicht lange warten, bis sie eingelassen wurden. Antonia und Sachmet wurden freundlich begrüßt, dennoch nahm Antonia die misstrauischen Blicke wahr, mit denen ihre Freundin die ungewohnte Umgebung maß.
    »Erweist die ehrwürdige Mutter uns die Ehre und empfängt uns?«, fragte Antonia, nachdem sich das Tor hinter ihnen geschlossen hatte.
    »Schwester Barbara ist bereits unterwegs, ihr die Kunde Eurer Ankunft zu überbringen«, erwiderte die junge Nonne, die derzeit den Dienst am Tor versah.
    Während die Pferde in den Stall geführt wurden, warteten die beiden jungen Frauen im Besucherraum darauf, der ehrwürdigen Mutter vorgestellt zu werden. Sachmet betrachtete

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