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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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ist mein eigenes Versagen. Doch seine Fäuste lösten sich nur langsam.
    Er hörte Schritte und spannte sich innerlich wieder an. Die Tür öffnete sich. Sein Bruder trat ein. Beinahe hätte Stephan ihn nicht wiedererkannt. Lukas war in den vergangenen Jahren dicker geworden, sehr viel dicker. Ein stattlicher Mönch mit einem gutmütigen Gesicht, das niemals etwas von den Grausamkeiten der Welt gesehen hatte. Stephan bemerkte, dass Lukas ihn ebenfalls musterte und zusammenzuckte, als er die lange Narbe in seinem Gesicht gewahrte. Doch sofort fasste der Mönch sich wieder und eilte dem Ankömmling lächelnd entgegen.
    »Stephan!« Er schloss ihn in die Arme. Stephan blieb stocksteif stehen, konnte es nicht über sich bringen, die Umarmung des Bruders zu erwidern.
    »Ich freue mich, dich zu sehen!«, rief Lukas und ließ Stephan wieder los. »Ich hatte schon viel früher mit deinem Besuch gerechnet.«
    »Warum?«
    Lukas stutzte. »Du bist mein Bruder. Du hast im Namen des Herrn gekämpft. Es müsste dir doch ein Bedürfnis sein, deine Erlebnisse mit mir zu teilen. So wie früher.«
    »Du weißt, dass Thomas tot ist, nicht wahr?« Er sah Lukas unverwandt in die Augen. Der senkte den Blick und bekreuzigte sich. »Ich habe um ihn getrauert und für ihn gebetet. Der Herr hat sich seiner angenommen. Thomas war ein guter Mensch.«
    »Der beste von uns allen«, erwiderte Stephan mit tonloser Stimme. »Ein solches Ende hat er nicht verdient.«
    »Du trauerst noch immer um ihn?« Lukas berührte ihn mitfühlend am Arm. »Das musst du nicht. Gott ist gerecht. Er hat Thomas gewiss einen Platz an seiner Seite gewährt. Und Thomas hätte ganz sicher nicht gewollt, dass du dich in Trauer und Leid um ihn dauerhaft grämst.«
    Stephan schwieg. Zumindest in einem Punkt hatte Lukas recht – Thomas hätte es nicht gewollt.
    »Ich weiß, was Thomas dir bedeutet hat«, fuhr sein Bruder fort. »Manchmal habe ich euch beide um diese innige Verbindung beneidet. Wie lange weilt er inzwischen nicht mehr unter uns?«
    »Ein Jahr, drei Monate und siebzehn Tage.«
    Lukas hob überrascht die Brauen. »Du führst wohl genau Buch.«
    »Ich hielt ihn bis zum letzten Atemzug in meinen Armen. Ich kann seinen Tod nicht vergessen.«
    »Willst du darüber sprechen?« Lukas legte seinem Bruder die Hände sanft auf die Schultern.
    »Nein.«
    »Das sagte Richard mir schon.« Lukas seufzte und ließ los. »Er besucht mich oft.«
    »Ich weiß«, erwiderte Stephan gleichmütig. Sein ältester Bruder hatte schon immer viel auf Lukas’ Rat gegeben. »Aber ich bin nicht wegen der alten Geschichten gekommen, Lukas. Ich muss mit dir über ernste Belange sprechen.«
    »Über noch ernstere Belange als über Thomas’ Tod?«
    »An Thomas’ Tod lässt sich nichts mehr ändern. Wir leben in der Gegenwart.«
    Plötzlich veränderte sich das Gesicht des Bruders. Hinter der gutmütigen Miene zeigte sich ein Ausdruck, der einem Kämpfer gut angestanden hätte.
    »Dann komm mit! Über ernste Belange spricht sich’s besser dort, wo keiner lauschen kann.«
    »Was soll das heißen?«
    Lukas legte einen Finger auf die Lippen und ging voraus. Stephan folgte ihm schweigend und verwirrt.
    Der Weg führte sie in den Klostergarten. Niemand arbeitete um diese Zeit, denn die meisten Brüder hatten sich bereits in die stille Klausur ihrer Zellen begeben.
    »Also?«, fragte Lukas erwartungsvoll.
    »Sag mir zuvor, wer uns belauscht hätte.«
    »Niemand, den ich benennen könnte. Aber es herrschen schwierige Zeiten. Selbst in Sankt Andreas stehen die Männer auf unterschiedlichen Seiten.«
    »Unterschiedliche Seiten? Ich verstehe nicht recht …«
    »Musst du auch nicht. Sag mir lieber, was du wissen willst.«
    »Graf Philip bat mich, dich nach seinem neuen Kaplan zu befragen. Es heißt, Hugo vom Waldsee sei ein strenger Asket, peinlich darauf bedacht, den Inhalt der Bibel wörtlich zu nehmen.«
    »So?« Lukas schmunzelte. »Und ist der gute Bruder Hugo so, wie ihr ihn euch vorgestellt habt?«
    »Nein.«
    »Das wundert mich nicht.«
    »Aber warum hat er diesen Ruf? Der Bischof selbst schickte ihn Herrn Philip auf die Burg, als ihm zu Ohren kam, dass dort angeblich Ungläubige aus Ägypten ein und aus gingen.«
    »Die Männer, die dich hierher begleiteten?«
    »Sie gehören zum Gefolge von Fräulein Sachmet, die mit dem Neffen und dem Bruder von Herrn Philip nach Burg Birkenfeld kam.«
    »Und warum begleiten sie dich hierher?«
    »Wir waren das Geleit für Fräulein Antonia und Fräulein

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