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Die Tochter der Tibeterin

Die Tochter der Tibeterin

Titel: Die Tochter der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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oft in den Wagen statt in Herbergen schliefen.
    »Ich habe dich gesucht«, sagte ich, als sie mir mitteilte, dass sie gehen musste. »Wenn ich anfangen muss, jetzt wieder nach dir zu suchen…«
    »Mir wäre es lieber gewesen«, erwiderte sie, »du hättest mich nicht gesucht.«
    Ich protestierte.
    »Aber ich habe Angst um dich gehabt! Wann sehe ich dich wieder? Ich habe dir noch so viel zu sagen.«
    Das stimmte nicht ganz. Was sollte ich ihr sagen? Irgendwie schienen sich in mir die richtigen Worte nur mühsam zu formen. Die ganze Zeit über, während Kunsang und ich uns in gegenseitigem Argwohn näher kamen, hatte ich mit dem Gefühl gekämpft, dass sich unsere Geschichte verlor, wie ein Pfad, der sich einen Hügel hinaufwindet und im Dickicht verschwindet.
    »Wir treffen uns schon noch«, hatte sie erwidert. »Bloß kann ich dir nicht sagen, wann oder wo.«
    »Ich hätte gerne gehabt, dass du mitkommst.«
    Sie hatte eine ihrer Grimassen geschnitten.
    »Ach, das geht doch nicht. Ich muss bei den anderen bleiben.
    Sonst fragt sich Yuthok, wo ich stecke.«
    »Ich glaube, du hast mich nicht richtig verstanden, Kunsang. Ich will, dass du mit mir heimkommst.«
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    »Mit dir? Das kannst du doch nicht ernst meinen.«
    »Aber ich meine es ernst, Kunsang. Du bist krank, hast du gesagt…«
    »Jetzt geht es mir gut.«
    »Du führst ein hartes Leben. In der Schweiz… «
    Sie hatte nur gelacht.
    »Und was soll ich da werden? Kassiererin in einem Warenhaus?
    In der Schule war ich gut im Rechnen – erinnerst du dich?«
    »Ach, Kunsang, wenn du doch verstehen würdest…«
    »Manchmal ist es schwierig, das schon. Aber mir gefällt es hier.
    Ich will, dass mein Leben so weitergeht.«
    »Einfach so, ohne aufzuhören?«
    Ihr Gesicht hatte plötzlich einen trotzigen Ausdruck angenommen. »Warum soll es nicht ewig dauern, he? Sag doch!
    Warum?« Es war ein durchsichtiger Spätnachmittag, einer jener Nachmittage, an denen das Licht senkrecht herabfällt, als regne es Helligkeit. Und unter dem dunstigen Himmel und den verschwommenen Bergen war mir, als sähe ich in der Wirklichkeit nur den Abglanz eines verlorenen Traumes. Dennoch fühlte ich eine tiefe Unruhe, die Dinge meiner Umgebung beengten mich; eine Vorahnung ließ mein Herz schneller schlagen. Und es nützte wenig, mir zu sagen, dass ich auf Vorahnungen keine Rücksicht nehmen konnte. Einen aufkommenden Sturm schmeckt man in der Luft, auch wenn der Himmel noch klar ist. Was ängstigte mich so?
    Atan trat hastig zu mir. Sein Blick glänzte seltsam leer, als sei ich unsichtbar.
    »Atan! Wo warst du so lange?«
    Er antwortete mit einer anderen, eher zerstreuten Frage:
    »Nun? Hast du mit ihr sprechen können?«
    »Ja, Atan. Aber was ist los?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Gestern Abend ist in Lithang eine neue Polizeieinheit eingetroffen. Etwa sechzig Mann. Jetzt sag mal, wozu braucht die Polizei sechzig Mann Verstärkung?«
    Ich starrte ihn erschrocken an. Atan blickte um sich und sprach ganz leise.
    »Die Chinesen wollen im Kloster reinen Tisch machen. Und nun haben sie es auf Sherab Rimpoche abgesehen.«
    Ich konnte nicht glauben, was ich hörte. Es kam mir ungeheuerlich vor.
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    »Warum denn? Er ist ein heiliger Mann und geht auf Krücken.«
    Er verzog das Gesicht spöttisch.
    »Wir leben heute nicht mehr in Kham, sondern in der chinesischen Provinz Sichuan. Wir sind Teil der großen Völkerfamilie des Mutterlandes. Seit ein paar Jahren veranstaltet die Zentralregierung so genannte Entlarvungs- und Kritik-Treffen in den Klöstern. Kommunistische Propagandateams erscheinen alle drei Monate, um Novizen, Mönche und Nonnen zum Studium verfassungskonformer Religionspolitik anzuleiten. Selbst die Äbte werden – wie es heißt – patriotisch erzogen. Als Vorzeige-Tibeter spielt Sherab Rimpoche seine Rolle schlecht. Er weigerte sich bisher, die Herren in Lederjacken und verspiegelten Sonnenbrillen zu empfangen. Er sei leider so krank, ließ er ausrichten, dass er nicht mehr reden könne und noch viel weniger verstehen. Aber dann verfasste er einen Rundbrief, in dem er die Bevölkerung zur Treue gegenüber Seiner Heiligkeit und der buddhistischen Religion aufforderte. So etwas tut nur ein Mensch, der das Auf und Ab dieses Lebens satt hat. Ob er einfach nur starke Nerven hat oder senil wird, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ist die Sache für die Zentralregierung gelaufen. Die Verhaftung soll Aufsehen erregen.
    Jetzt haben wir hier das Fest, und du denkst doch nicht etwa,

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