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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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versprechen. Für solche wie dich haben wir kein Willkommen, nur den Tod, denn wir wissen, dass nur ein Grund dich in unser Land geführt haben kann. Wer hat dich hergeschickt?«
    Der junge Mann richtete sich auf, riss verächtlich an den Seilen, die ihm die Hände auf den Rücken fesselten. Er spuckte mit verblüffender Genauigkeit auf Vaters Füße. Sofort zog einer der Krieger das Seil fester, der andere schlug mit der ganzen Kraft einer behandschuhten Faust über das Gesicht des Gefangenen und hinterließ eine rote Schwiele auf Mund und Wangen. Zorn blitzte aus den Augen des jungen Mannes, aber er biss die Lippen grimmig zusammen und schwieg. Vater stand auf.
    »Das hier ist kein Anblick für Damen und hat keinen Platz in einer Halle, wo gefeiert wird«, sagte er. »Vielleicht ist es Zeit, sich zurückzuziehen.« Er ließ den Blick durch die Halle schweifen, und es gelang ihm, nur damit allein den Gästen Dank und Lebewohl zu sagen. »Männer, macht euch bereit für einen frühen Aufbruch. Es sieht so aus, als könnte unser Unternehmen nicht bis zum Vollmond warten. Inzwischen werden wir herausfinden, was dieser unwillkommene Besucher uns zu sagen hat; meine Hauptleute sollen zu mir kommen und alle anderen gehen. Meine Gäste, ich bedaure dieses unzeitige Ende unseres Festes.«
    Der Haushalt fiel innerhalb von Sekunden wieder in seinen Kriegsstatus. Dienstboten erschienen; Flaschen, Kelche und Teller verschwanden. Eilis und ihre Damen gingen rasch in ihre Kammern, Seamus folgte nicht viel später, und bald schon waren nur Vater und eine Hand voll seiner vertrautesten Männer zurückgeblieben. Irgendwie hatte man den Gefangenen inmitten des allgemeinen Tumults nach draußen gezerrt. Falls Vater seinen Wachen Anweisungen gegeben hatte, war mir das entgangen.
    Und in der dunkler werdenden Halle wurden Finbar und ich, jeder auf seiner Seite, eins mit den Schatten, wie wir es beide so gut konnten. Ich kann nicht erklären, warum ich blieb, aber das Muster, das unser Schicksal formen sollte, bildete sich bereits heraus, wenn ich es auch noch nicht wusste.
    »… schon hier ganz in der Nähe; das bedeutet, sie wissen genug von unseren Stellungen und stellen eine wirkliche Bedrohung …«
    »… sie finden und töten, aber schnell, bevor die Informationen …«
    »Es ist wichtig, ihn zum Sprechen zu bringen.« Das war Vater. »Sagt ihnen das. Und das muss heute Abend sein, denn bei diesem Unternehmen ist Eile vonnöten. Wir reiten in der Morgendämmerung. Sagt euren Männern, sie sollen versuchen, noch ein wenig zu schlafen.« Er wandte sich einem der älteren Männer zu. »Du wirst das Verhör überwachen. Und achte darauf, dass er am Leben bleibt. Ein solcher Gefangener könnte sich als wichtige Geisel erweisen, nachdem er erst einmal seinen Zweck erfüllt hat. Das ist eindeutig kein gewöhnlicher Fußsoldat. Er ist vielleicht sogar Verwandter der Northwoods. Sag deinen Leuten, sie sollen vorsichtig sein.«
    Der Mann nickte zustimmend und verließ die Halle, und die anderen kehrten zu ihrer Planung zurück. Liam tat mir ein wenig Leid – gerade erst verlobt, und nun musste er schon wieder in den Krieg. Vielleicht war das Leben so, wenn man ein Mann war, aber es kam mir ungerecht vor.
    »Sorcha!« Ein Flüstern hinter mir ließ mich beinahe laut aufschreien und mein Versteck verraten. Finbar zupfte an meinem Ärmel und führte mich leise hinaus in den Hof.
    »Schleich dich nicht so an!« zischte ich. Seine Finger auf meinen Lippen brachten mich rasch zum Schweigen, und erst als wir um die Ecke gebogen waren und er sorgfältig nachgesehen hatte, dass niemand in Hörweite war, sprach er.
    »Du musst mir helfen«, flüsterte er. »Ich wollte dich nicht fragen, aber ich schaffe es nicht allein.«
    »Was schaffen?« Sofort war ich neugierig, obwohl ich nicht die geringste Ahnung hatte, wovon er sprach.
    »Wir können jetzt nicht viel tun«, meinte er, »aber wir könnten ihn am Morgen wegbringen, wenn du mir geben kannst, was ich brauche.«
    »Was?« fragte ich. »Wovon redest du?«
    »Ein Schlafmittel«, sagte Finbar. Er führte mich durch den Bogengang zum Garten. Wir waren beide in der Lage, uns auf jeder Art von Terrain rasch und leise zu bewegen – das kam davon, halbwild aufgewachsen zu sein.
    Sobald wir in meinem Raum waren und sowohl die inneren als auch die äußeren Türen verriegelt hatten, bat ich Finbar abermals zu erklären. Er wollte nicht; er setzte jene störrische Miene auf, die er immer dann hatte,

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