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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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sagten. »Man fragt sich, was sie sobald schon wieder davonruft. Mehr Eindringlinge an unserer Grenze?«
    »Das kann ich nicht wissen«, sagte ich und trennte ein paar Stiche wieder auf.
    »Oder vielleicht suchen sie nach geflohenen Gefangenen«, meinte sie beiläufig. »Mein Herr hat mir erklärt, dass er vorhat, seinen Waffenmeister zu entlassen, da jemand hier offenbar seine Pflichten vernachlässigt hat. Seltsam. Sie strengen sich alle so sehr an. Und dennoch verschwinden Gefangene auf geheimnisvolle Weise. Man fragt sich, wie so etwas geschehen kann.«
    Mir war plötzlich eiskalt. Sie wusste es. Das hatte sie so gut wie zugegeben. Ich schwieg weiter, als sie sich wieder lächelnd mir zuwandte.
    »Arme Sorcha, ich langweile dich, Kind. Was könnte all das ein Mädchen interessieren? Blutfehden und verschwundene Geiseln? Du hattest tatsächlich eine seltsame Kindheit, in einem solchen Haushalt aufzuwachsen. Es ist gut, dass ich jetzt hier bin und mich um deine Erziehung kümmern kann. Nun zeig mir einmal, was du gemacht hast. Oje, das ist alles schief! Ich fürchte, es muss noch einmal aufgetrennt werden.«
    Endlich durfte ich gehen und suchte nach Finbar, denn Vater hatte doch sicherlich nicht wirklich vor, sich von Donal zu trennen, der die gesamte Ausbildung meiner Brüder überwacht hatte und dessen grimmige Züge und kräftige Gestalt so sehr zu unserem Haushalt gehörten wie die Steinmauern selbst. Aber Finbar war nirgendwo zu finden; stattdessen suchte mich ein Mädchen aus dem Dorf auf – konnte ich ihrer Großmutter helfen, deren Fieber nicht nachließ? Wie hätte ich ihr sagen können, dass es mir nun verboten war? Diese Leute verließen sich auf mich. Also holte ich meinen Korb, warf einen alten Umhang über, zog meine Stiefel an und machte mich davon.
    Sobald sie mich im Dorf sahen, kamen auch andere, um meine Hilfe zu suchen. Nachdem ich mich um die Frau mit dem Fieber gekümmert hatte, ging ich zum alten Tom, wegen eines Abszesses an einer sehr unangenehmen Stelle, der aufgebrochen war. Ich behandelte ihn, und er überhäufte mich mit Dank und pries meinen Bruder Conor, der einem seiner Enkel Arbeit im Stall gegeben hatte. Dann rief man mich zu einem winzigen kranken Kind. Ich ließ der besorgten jungen Mutter ein paar Kräuter da, aus dem sie einen Tee bereiten konnte, der ihr Milch geben würde, und versprach, frisches Gemüse aus meinem Garten zu bringen.
    Als ich fertig war, war es längst nach Mittag, und ich ging so rasch wie möglich nach Hause. Es war lange her seit dem Frühstück, und ich konnte in der frischen Winterluft schon beinahe Janis' Haferkuchen schmecken. Ein feiner Nebel senkte sich, als ich den Pfad zum Küchengarten hinaufging. Ich war tief in Gedanken versunken und wäre beinahe mit Vater und Donal zusammengestoßen, als ich um eine Ecke bog. Auch sie waren auf ihr Gespräch konzentriert und sahen mich nicht. Ich blieb stehen, dann wich ich rasch in die Hecke zurück, denn die ruhige Intensität von Donals Stimme sagte mir, dass das ein sehr vertrauliches Gespräch war.
    »… nicht mein Ziel, Eure Entscheidung in Frage zu stellen, Herr. Aber hört mich zumindest an, bevor ich gehe.« Donal beherrschte seine Stimme ebenso wie die Pferde, sein Schwert und seine Männer.
    »Was kannst du mir schon zu sagen haben?« erwiderte Vater kühl. »Ich habe meine Entscheidung getroffen. Was gibt es da noch zu sagen?«
    Sie waren direkt vor mir stehen geblieben, und ich konnte mich nicht rühren, ohne dass sie mich entdeckt hätten. Vater hatte mir den Rücken zugewandt. Donal hielt sich so aufrecht wie immer, aber die tiefen Furchen um Mund und Nase zeugten von seinen Empfindungen. »Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was geschehen ist. Es gibt keine Entschuldigung für einen solchen Fehler. Aber man kann die Vergangenheit nicht mehr ändern. Diese Strafe ist unangemessen, Lord Colum.«
    »Ein Gefangener ist entflohen. Nicht der Erste. Ein wichtiger Gefangener diesmal. Wie kann ich einen solchen Fehler durchgehen lassen? Als ich die Festung verließ, war der Mann sicher in seiner Zelle, nicht nur sicher bewacht, sondern bewusstlos, kaum imstande zu gehen, geschweige denn, alleine seinen Weg nach draußen zu finden. Als Nächstes höre ich, dass der Gefangene nirgendwo zu finden ist. Deine Männer sind betäubt worden. Es muss Hilfe in der Festung gegeben haben. Als Ergebnis deiner Nachlässigkeit wurde unsere Position sehr geschwächt. Wer weiß, welchen Vorteil eine

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