Die Tochter der Wälder
seine Knöchel blutig, die Augen geschwollen von Tränen. Und zu seinen Füßen lag der Rabe, dessen Bein beinahe geheilt war, dessen Gefieder wieder gesund und schimmernd geworden war, aber nun lag er starr da, den Kopf seltsam verdreht, die Augen blicklos auf den weiten Winterhimmel gerichtet. Der alte Stall war leer. Padraics wortloser Schmerz und Zorn zerrissen mir fast das Herz. Für mich war klar, dass noch Schlimmeres bevorstand. Ich hätte vorbereitet sein sollen, aber ich war es nicht.
KAPITEL 4
Lady Oonagh hatte mir gesagt, dass die Besuche im Dorf aufhören müssten; es sei unpassend, dass die Tochter von Lord Colum sich in der Nachbarschaft herumtrieb wie das Kind eines Hausierers, sich die Füße schmutzig machte und sich mit Gesindel abgab. Ich müsse all diesen Unsinn aufgeben, erklärte sie, und lernen, eine Dame zu werden. Musik – das war angemessen. Ich verbrachte den Morgen damit, ihr auf der Flöte vorzuspielen und widerstrebend auch auf der Harfe, denn sie befahl, dass unser kleines Instrument in die Halle gebracht wurde. Zum Glück war mein Vater an diesem Tag anderswo beschäftigt. Es war ihr bald klar, dass ich nur noch wenig zu lernen hatte. Also Nähen. Sie wollte meine Stickkünste sehen, und ich war gezwungen zuzugeben, dass ich nicht sticken konnte. Gut, ich konnte flicken und ein Kleid oder ein Hemd säumen. Aber nach feinerer Arbeit hatte in diesem Haushalt von Männern nie Bedarf bestanden. Oonagh zeigte mir einen Schleier aus dünnstem Baumwollstoff, überzogen mit einer Myriade winziger Vögel und Blüten. Es war tatsächlich wunderschöne Arbeit, drapiert über ihr schimmerndes Haar, ließ es sie wie eine Königin aussehen. Solche Techniken zu erlernen, brauchte lange Zeit und viel Übung, daher würde es keine Besuche mehr bei den Kranken mit einem Korb voll Kräutertränken und Salben geben. Jemand anders sollte es tun. »Es ist niemand anders da, der es kann«, sagte ich, ohne nachzudenken. Das war die Wahrheit. Oonagh kniff die Augen ein wenig zusammen und runzelte unwillkürlich die weiße Stirn.
»Das ist unangenehm«, meinte sie schließlich. »Dann werden diese Leute eben tun müssen, was immer sie getan haben, bevor du sie besucht hast. Du kommst morgen mit deinen Nadeln und dem Faden direkt nach dem Frühstück hierher. Wir haben viel aufzuholen.«
Ich hielt nicht länger als ein paar Tage durch. Meine Finger, die so geschickt waren, wenn es darum ging, Verbände anzulegen, zu mischen und abzumessen, waren ungelenk mit Nadel und feiner Seide. Unter Oonaghs beobachtendem Blick zerriss ich den Faden, ließ die Nadel fallen und befleckte den zarten Stoff mit Blut von meinem Finger. Ich sehnte mich danach, dass einer meiner Brüder uns unterbrach und mich rettete, aber sie taten es nicht. Vater plante einen weiteren Kriegszug über unsere Grenzen hinaus, und sie hockten alle über Landkarten oder bewegten Pferde oder schärften und polierten ihre Waffen.
Selbst mein Vater war abgelenkt, und das gefiel Lady Oonagh nicht. Etwas beunruhigte ihn. Aber ich konzentrierte mich weiter auf meine Nadel, und sie beobachtete mich. Manchmal stellte sie Fragen, manchmal saß sie schweigend da, was schlimmer war, denn ich konnte spüren, wie sie ihren Geist nach meinem ausstreckte, als wollte sie meine geheimsten Gedanken wissen. Ich versuchte, mich von ihr abzuschirmen, so wie Finbar gelernt hatte, seinen Geist vor mir zu verbergen. Aber sie war sehr stark, und wenn sie mich nicht direkt lesen konnte, war sie doch klug genug mit Worten und wusste, wie man Fallen stellte.
»Dein Vater ist dieser Tage sehr beschäftigt«, sagte sie eines Morgens recht freundlich, als sie mir beim Sticken eines langen Blütenstils zusah. »Ich hatte gehofft, er würde länger zu Hause bleiben, aber Männer sind immer so ruhelos.« Sie lachte und zuckte die schmalen Schultern in ihrem blauen Samtgewand. »Ich nehme an, Ehefrauen gewöhnen sich irgendwann daran.«
Ich hasste ihre Bemühungen, geschwätzig zu sein, beinahe noch mehr als ihre Feindseligkeit. »Das nehme ich an«, sagte ich und starrte stirnrunzelnd auf meine Arbeit.
»Dennoch, es ist wenig Zeit seit dem letzten Kriegszug vergangen«, meinte Oonagh und schlenderte zu dem schmalen Fenster, das auf den Hof hinausging, wo Liam und Diarmid immer wieder vorbeikamen, übten, sich halb aus dem Sattel gleiten zu lassen und wieder aufzurichten – einen unangenehmen Trick, den sie im Nahkampf benutzten, um den Feind zu überraschen, wie sie
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