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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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nicht Rache.«
    Conor starrte ins Feuer. »Der Wald schützt die seinen.«
    »Das war ein großer Verlust für dich, Sorcha«, sagte Liam. »Hast du hier außer der Einsamkeit nichts und niemanden?«
    »Das darf sie dir nicht sagen«, meinte Conor. »Aber ich zweifle nicht daran, dass dies alles seinen Zweck hat. Sorcha, weißt du, wie lange diese Verzauberung dauern wird? Wird sie ein Ende haben? Und wann dürfen wir hierher zurückkehren?«
    Ich schüttelte den Kopf und legte mir beide Hände auf den Mund. Warum hörten sie nicht auf, Fragen zu stellen? Ich spürte, wie mir eine Träne über die Wange lief.
    »Ich denke, es wird noch lange dauern«, Finbars Stimme war sehr leise. »Eine Zeit, die eher in Jahren als in Monden zu messen ist. Ihr dürft Sorcha nicht um Antworten bedrängen.«
    Niemand stellte in Frage, was er gesagt hatte. Wenn Finbar so sprach, war es immer die Wahrheit.
    »Jahre!« rief Liam.
    »Sie darf hier nicht solange alleine bleiben«, sagte Diarmid. »Es ist nicht sicher, und es gehört sich nicht.«
    »Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte Conor. »Außerdem kennst du die alten Geschichten ebenso gut wie wir. Es muss einen Sinn haben, aber den darf sie uns nicht mitteilen, nicht wahr, Sorcha?«
    »Sie muss bestimmte Dinge tun«, sagte Cormack leise von dort, wo er saß und die Arme um den Hund geschlungen hatte. »Sie muss bestimmte Dinge tun, bevor der Bann ein Ende hat.« Er sah mein zustimmendes Nicken. »Was können wir tun, Sorcha?«
    Ich schüttelte den Kopf und spreizte die Finger. Nichts. Nichts, aber seht zu, dass ihr am Leben bleibt.
    »Es hatte etwas mit ihren Händen zu tun«, sagte Conor bedächtig, und in seiner Stimme schwangen Gefühle mit, die ich nicht vollkommen verstand. »Du würdest dich nicht umsonst so verletzen. Irgendetwas Böses ist hier am Werk, da bin ich sicher.«
    Ich schüttelte den Kopf, denn er hatte nur zur Hälfte Recht.
    Nein. Nichts Böses. Das ist mein Weg. Ihr müsst es mich tun lassen. Ich kann euch retten.
    »Hier«, sagte Padraic hinter mir. Ich hatte nicht bemerkt, dass er tiefer in die Höhle hinabgegangen war, aber nun kam er zurück, mit meiner Spindel in einer Hand und einem Stück des vielsagenden Fadens, stachelig und brüchig. Das Feuerlicht schimmerte auf den täuschend zarten Fasern. Alle holten tief Luft, und Padraic setzte sich wieder zu den anderen, die Spindeln zwischen seinen fähigen Handwerkerhänden.
    »Was ist das?« fragte Liam zornig, nachdem er die Faser berührt hatte. »Dieser Faden ist voll winziger Stacheln. Kein Wunder, dass ihre Hände so geschwollen sind, dieser Faden ist …«
    »Es sind Mieren«, sagte Padraic. »Sorcha hat die Fasern zum Spinnen vorbereitet und ein Stück Stoff gewebt.«
    »Mieren zu verspinnen!« rief Cormack. »Wer wäre je darauf gekommen?«
    »Du selbst hast von Aufgaben gesprochen, die erfüllt werden müssen«, erinnerte Conor seinen Zwillingsbruder.
    »Sechs Brüder.« Finbar hatte bisher kaum etwas gesagt, und nun war seine Stimme angespannt, als spräche er nur, weil es unbedingt notwendig war. »Sechs Brüder, sechs Kleidungsstücke?«
    »Aus Mieren? Ich wäre nicht froh über ein solches Hemd«, bemerkte Diarmid.
    Conor ließ seinen abschätzenden Blick über die anderen schweifen. »Ihr werdet vielleicht froh sein, es tragen zu können«, sagte er bedächtig, »wenn es die Macht hätte, den Bann zu lösen.« Er hatte nicht lange gebraucht, um es herauszufinden.
    Einen Augenblick lang sahen sie einander über das Feuer hinweg an, und es kam mir so vor, als fände eine Verständigung zwischen meinen Brüdern statt, die keine Worte brauchte, und diesmal war ich diejenige, die ausgeschlossen war. Ich sah mich im Kreis um, spürte, dass sie einander nun näher standen als je zuvor, und dann begegnete ich Finbars Blick. In seiner Miene lag ein Misstrauen, das ich nie zuvor bemerkt hatte, eine Unsicherheit, die mich beunruhigte, denn er war von allen immer derjenige gewesen, der seines Weges am sichersten war. Ich versuchte, ihn im Geist anzusprechen.
    Was ist los, Finbar?
    Aber es war Conor, der antwortete.
    »Es ist schwer zurückzukehren, Sorcha, und für einige ist es schwerer als für andere.«
    »Wir haben hier nur wenig Zeit«, sagte Liam und stand auf. »Wenn das, was Conor annimmt, der Wahrheit entspricht, haben wir nur bis zur Morgendämmerung. Wir müssen für unsere Schwester tun, was wir können.«
    »Nur eine Nacht, und das hier im Wald«, sagte Diarmid. »Wo können wir

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