Die Tochter der Wälder
anfangen, wenn es so viel zu tun gibt?«
»Wir können einiges erreichen«, übernahm Liam wie gewohnt die Führung. »Vielleicht Kleinigkeiten, aber sie werden nützlich sein. Glaub mir, Sorcha, es quält und beschämt uns alle, dass wir dich hier wieder allein lassen müssen. Aber wir können dir vielleicht zumindest ein wenig Bequemlichkeit verschaffen, wir können Holz hacken, wir können die Höhle für den Winter vorbereiten, denn ich fürchte, wir werden erst wieder zurückkehren, wenn hier Schnee liegt; wir können bei Laternenlicht arbeiten. Hast du eine Axt?«
Ich nickte.
»Im Westen liegt Weideland, und es gibt Getreidescheunen«, sagte Conor.
»Wie weit entfernt?« wollte Cormack wissen.
»Du kannst vor Tagesanbruch dorthin und zurück gelangen«, antwortete sein Zwillingsbruder. »Nimm Linn mit. Es ist dunkel, und die Wege sind gefährlich. Sie wird dich führen. Ich nehme an, sie wäre ohnehin nicht einverstanden, zurückzubleiben.«
»Ich werde mit dir gehen«, sagte Padraic. »Oder ich würde es tun, aber diese Stiefel bringen mich um. Das ist das Problem mit Veränderungen. Man wächst weiter, aber die Kleider haben dieselbe Größe. Vielleicht würden deine Sachen mir passen, Finbar.« Seine Stiefel passten ihm gut genug, denn mein jüngster Bruder war jetzt einen halben Kopf größer als beim letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte. Dann waren Padraic und Cormack im Wald verschwunden, die kleine Laterne in der Hand, Messer am Gürtel. Ich hoffte, sie würden die Waffen nicht brauchen. Ich hoffte, sie würden unbemerkt bleiben, was immer sie vorhatten. Linn folgte ihnen; niemand hätte den Hund zurückhalten können. Zumindest einer von dreien wusste also den Weg.
***
Liam und Diarmid machten sich mit Axt und Beil an die Arbeit, hackten Äste der toten Esche ab und stapelten sie im Schutz eines überhängenden Felsens. Sie arbeiteten mit einem Tempo und einer Präzision, die mich verblüfften, und hielten nicht einmal inne, um etwas zu essen oder zu trinken. Sie nahmen die zweite Lampe mit und ließen den Rest von uns am Feuer im Halbdunkel zurück.
»Also gut«, sagte Conor, »ich will diese Hände sehen. Hast du Salben? Bienenwachs?«
Ich zeigte ihm meine zur Neige gehenden Vorräte in einer Nische der Höhle.
»Das wird nicht mehr lange reichen«, sagte er ernst. »Was willst du dann tun? Gibt es keine andere Möglichkeit, diese Aufgabe zu erledigen?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann kann ich mich zumindest heute Nacht um dich kümmern und vielleicht ein wenig Hilfe für dich finden. Du musst verstehen, kleine Eule, dass dies das Schlimmste für uns ist. Nicht hier bei dir sein zu können, zuzusehen, wie du dich für uns opferst – das trifft uns tief. Für Finbar ist es am schwersten. Er braucht es von uns allen am dringendsten, einem geraden Weg zu folgen, welche Hindernisse auch im Weg sein mögen. Dass man ihm diese Möglichkeit nimmt, zerreißt ihn schier.«
Wir kehrten zum Feuer zurück, wo Finbar immer noch schweigend saß. Conor nahm meine kleine Hand in seine und begann, die Salbe sanft in meine Haut zu reiben, massierte und knetete meine Finger mit seinen eigenen. Er hörte auf zu sprechen und begann stattdessen, leise zu summen, eine monotone kleine Melodie, deren Anfang und Ende miteinander verwoben waren, so dass sie weiter und weiter ging und gut zur seltsamen Stille der Nacht passte. Weiter entfernt begleiteten die gedämpften Schläge der Axt auf Holz das Lied. Ich begann mich zu entspannen. Zunächst hatte ich mich zusammenreißen müssen, denn es tat weh, wenn jemand meine Hände berührte; aber nach einer Weile lullte mich das Lied ein, und ich hörte die Eulen in den Bäumen und das Quaken der Frösche in den vielen kleinen Bächen rund um den See. Und dann kam Finbar und setzte sich zu mir und nahm meine andere Hand. Conors Hand war warm und voller Leben; Finbars Hand war wie Eis. Eine Weile saßen wir so da, und ich überließ meine verletzten Finger meinen Brüdern und nahm Bilder und Gefühle in mich auf, die für die lange, müde Zeit bis zum Mittwinter reichen mussten. Conor summte immer noch leise sein Lied vor sich hin und arbeitete seine eigene Kraft in meine Hände.
Endlich sagte Finbar: »Es tut mir Leid, Sorcha. Ich weiß kaum, was ich sagen soll. Eine Nacht. Es ist eine viel zu kurze Zeit, um unsere Erinnerung an diese Welt zu wecken. Es ist so viel in meinem Kopf, und ich habe gesehen – ich – nein, einiges sollte man lieber unausgesprochen
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