Die Tochter der Wälder
lassen.«
Ich wandte mich ihm zu, und diesmal hielt er meinem Blick stand.
Ich sah das Feuerlicht in seinen grauen Augen flackern, und es stand Zweifel in seinem Blick.
Was ist denn? Du kannst doch nicht aufgeben! Du doch nicht. Was ist los?
Immer noch schloss er seinen Geist ab.
»Du kannst mit uns sprechen, Finbar«, sagte Conor leise. »Wir drei sind von Hand zu Hand verbunden. Wir kennen dich. Wir kennen deinen Mut. Sprich es laut aus, wenn du uns deinen Geist schon nicht öffnen willst.« Die Worte waren sanft, aber es lag eine gewisse Autorität in der Stimme, die Finbar keine Wahl ließ.
»Warum Sorcha?« fragte er. »Warum soll ausgerechnet sie so leiden? Sie hat nichts Falsches getan. Wieso sollte sie dieses Opfer für uns bringen?«
»Weil sie die Stärkste ist«, sagte Conor schlicht. »Weil sie sich im Wind biegen kann und nicht bricht. Sorcha ist der Faden, der uns alle miteinander verbindet. Ohne sie sind wir Blätter im Wind, die hierhin und dahin geweht werden.«
»Wir sind stark. Wir sind alle stark.«
»Auf unsere eigene Weise, ja. Aber jeder von euch würde in diesem Sturm zerbrechen. Selbst du, denn es kommt eine Zeit, wo der gerade Weg unter den Füßen brüchig wird oder von einem Hochwasser unterspült wurde, und dann bist du verloren, wenn du keinen anderen Weg gehen willst. Nur Sorcha kann uns nach Hause bringen.«
»Du sprichst in Rätseln«, entgegnete Finbar ungeduldig. »Was ist mit dir selbst? Wie kannst du so ruhig hinnehmen, dass deine Schwester dünn ist wie ein Gespenst, in Lumpen herumläuft und nässende Wunden hat? Ich würde lieber sterben oder für immer unter diesem Fluch bleiben, als sie so für mich leiden zu lassen. Kannst du einfach dastehen und das akzeptieren?«
Conor sah ihn ernst an. »Versteh mich nicht falsch. Ich spüre Sorchas Schmerz zutiefst, und sie weiß es. Aber ich bin diesen Weg schon öfter gegangen; und ich habe auf der Schwelle zwischen jener Welt und dieser gestanden. Vielleicht macht es das leichter, denn anders als ihr anderen trage ich beide in mir. Für dich wird die Veränderung jedes Mal schwerer werden. Aber deine Zweifel machen es Sorcha nicht leichter. Sie braucht unsere Kraft, solange wir hier sind.«
Eine Weile lang saßen wir schweigend da. Mir fiel auf, dass Conor die Frage seines Bruders nicht wirklich beantwortet hatte. Es war spät und der Wald still, bis auf die Axtschläge im Dunklen. Ich erinnerte mich an eine andere Zeit, in der ich Finbars Gedankenbilder gesehen hatte, obwohl er mich ausschloss; die Kälte, das Fallen, die Flucht … war es das, was er fürchtete, das Aufblitzen einer Vision, die ihm von künftigen Dingen erzählte? Wie viel sah er? Und war die Zukunft so schrecklich, dass er es nicht wagte, seine Visionen mitzuteilen?
Ich hatte meinen Geist gut abgeschirmt, aber Finbar sprach, als würde er meine Gedanken kennen. »Sorcha«, sagte er leise. »Glaube mir, wenn ich dir sage, dass du das nicht tun solltest. Es wäre besser, wenn du weggingest und uns vergessen würdest. Verlass diesen Wald und such Schutz bei den heiligen Brüdern im Westen.« Er wickelte eine Haarsträhne um die ruhelosen Finger.
»Wir sollen also alle vergehen?« fragte Conor leise. »Lady Oonagh wäre zweifellos zufrieden damit. Du beleidigst deine Schwester mit einem solchen Vorschlag, Finbar. Wir sind ihre Brüder; sie liebt uns, wie wir sie lieben. Sie hat keine solche Wahl.«
»Sie darf nicht hier bleiben«, sagte Finbar. Der Schild vor seinem Geist war fest; was immer an finsterem Wissen sich dort befand, wurde uns nicht offenbart.
»Diese Geistesbilder«, sagte Conor und stocherte mit einem langen Stock in den glühenden Kohlen herum, »können Rätsel sein. Was du siehst, ist vielleicht die Wahrheit oder Halbwahrheit oder dein eigener Alptraum, geboren aus Ängsten und Wünschen. Selbst jetzt kann es sein, dass der Fluch Lady Oonaghs in dir arbeitet. Vielleicht mischt sie sich in deine inneren Stimmen, wenn sie deine äußere Gestalt verändert. Du kannst diesen Visionen nicht trauen.«
»Worauf soll ich sonst noch vertrauen?« entgegnete Finbar. »Nachdem ich nichts über die Zeit weiß, in der wir weg sind, nach welcher anderen Landkarte soll ich meine Wahl treffen? Es ist kaum Zeit, mich zu erinnern, wer wir waren, bevor alles wieder ausgelöscht wird. Unser Vater könnte tot sein oder noch Schlimmeres.«
»Er lebt noch«, sagte Conor leise. »Schwer getroffen vom Verlust seiner Kinder und gebunden durch den Bann seiner
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