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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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zugeschleudert, aber er hielt inne, als er sah, wie mein Gesicht sich veränderte. Einen Augenblick lang kamen meine eigenen Dämonen zurück zu mir, und ich wurde wohl plötzlich sehr bleich.
    »Es tut mir Leid«, sagte er mit völlig veränderter Stimme, so verändert, dass es die Stimme eines anderen Mannes hätte sein können. »Es tut mir Leid. Was habe ich da gesagt?« Er streckte die Hand aus, sehr sanft, in Richtung auf meine Wange; aber ich wich ein wenig zurück. Ich schüttelte den Kopf, machte eine wegwerfende Bewegung. Nichts. Es ist nichts.
    »Du hast immer noch Angst vor mir«, sagte er sehr leise. »Weißt du denn nicht, dass ich dir nie wehtun würde?«
    Aber das hast du, dachte ich. Mit deinen Händen und mit deinen eigenen Worten. Ich verschränkte die Arme über der Brust, und meine Hände berührten die Stellen, wo er mir schon vorher blaue Flecken verursacht hatte. Als er zornig war – zorniger, als ich ihn je gesehen hatte.
    Und dann sagte er: »Ich wünschte, du würdest mit mir sprechen.« Seine Stimme war noch leiser geworden, wie es manchmal geschah, wenn er sich angestrengt beherrschte. Irgendwie hatte ich ihn aufgeregt. Ganz bestimmt wünschst du dir das, dachte ich. Sobald ich rede, kannst du mich loswerden und dein Leben weiterführen. Eine Sache weniger, um die du dich sorgen musst. Du wirst wieder dazu zurückkehren, wie es früher war, ganz gleich, was du jetzt denkst. Denn du wirst vergessen, wie es Menschen eben tun.
    »Ich will deine Stimme hören«, sagte er. »Ich will – aber was zählt das schon?« Es war, als versuchte er, seine Worte zu beherrschen und sie wieder dorthin zurückzuleiten, wo er glaubte, dass sie hingehörten. Zurück auf sicheren Boden. Beherrschung. Nicht aussprechen, was man fühlte, nur das, was gesagt werden musste. Ich stellte mir vor, dass es ihm später Leid tun würde, heute Nacht so frei und offen gesprochen zu haben. »Ich mache mir Sorgen um deine Sicherheit«, sagte er. Nun war es wieder Lord Hugh von Harrowfield, der sprach. »Ich denke, ich kann ein wenig mehr tun. Als Erstes werde ich mit meiner Mutter sprechen. Sie missbilligt solche Dinge, wie sie mit dem Hund geschehen sind, und kann dafür sorgen, den Schuldigen zu finden, und dass es keine Wiederholung gibt. Und längerfristig – gibt es vielleicht eine Lösung. Eine Möglichkeit ist ganz offensichtlich, aber die würde dir nicht gefallen.«
    Was? Welche Möglichkeit? Nun hatte er mich wirklich beunruhigt. Er würde mich doch nicht nach Northwoods schicken? Oder doch?
    »Es wird vielleicht nicht notwendig sein«, sagte der Rote und stand auf. »Wir müssen einfach wachsam bleiben. Wenn mehr getan werden muss, werden wir das eben tun. Aber mein Onkel ist weg, und ich wüsste sonst niemanden, der eine ernsthafte Bedrohung darstellte.« Er sah mich fragend an. Ich zuckte die Achseln. Es war zu erschreckend, daran zu denken, dass Lady Oonagh mich finden würde, selbst hier in Harrowfield. Ich weigerte mich, das zu glauben. »Im Augenblick solltest du in meinem Haus in Sicherheit sein. Wenn ich das nicht versprechen kann, bin ich wirklich ein unfähiger Beschützer.«
    Ich bewegte rasch die Hände. Nicht. Versprich nichts, dessen du nicht sicher sein kannst. Versprich nichts, was du nicht halten kannst. Ich weiß nicht, ob er das verstand.
    »Es wird kalt«, sagte er. »Du solltest lieber hineingehen. Verriegele die Tür und schlaf ein wenig. Ich werde heute Nacht Wache halten.«
    Es sah so aus, als wäre ich entlassen. Ich stand auf, ging hinein und streckte die Hand aus, um die Tür zu schließen.
    »Jenny«, sagte er. Er stand unten an der Treppe, und er war so viel größer als ich, dass er mir direkt in die Augen sah. Ich zog fragend die Brauen hoch.
    »Sag es mir beim nächsten Mal. Sag es mir gleich. Behalte es nicht für dich. Ganz gleich wie klein, ganz gleich wie unbedeutend das ist, was geschieht, du musst es mir sagen.« Er mochte die Bedrohung meiner Sicherheit für geringfügig halten, aber tief drinnen war er besorgt. Zutiefst besorgt.
    Ich nickte und schloss die Tür. Aber beim nächsten Mal war es nicht notwendig, es ihm zu sagen. Denn beim nächsten Mal war es kein Kinderstreich, den mein unbekannter Feind mir spielte. Es war etwas viel Schlimmeres, und es führte zu einer tragischen Wendung der Ereignisse, die tiefes Entsetzen weckte, die das Böse in dieses stille Tal brachte und den Haushalt von Harrowfield verwundete. Und ich war die Ursache dafür.
    ***
    Es geschah

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