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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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nicht darauf verlassen, dass diese Leute das Richtige taten, obwohl sie ihn liebten. Die Flammen brannten hell und klar. Ich konzentrierte mich auf Johns wettergegerbtes, ernstes, ruhiges Gesicht und auf alles, was er gewesen war, und warf eine Hand voll Tannennadeln und Thymianblätter ins Feuer, so dass sich bald ein süßer, läuternder Duft im Garten erhob. Ich stellte mir John als großen, verzweigten Baum vor, der vielen unter seinem weiten Wipfel Zuflucht bot. Ich dachte an die Wurzeln dieses Baums, die sich fest an den Boden des Tals klammerten und die ein lebendiger Teil seines Herzens waren. John war ein Mann aus diesem Tal. Wohin immer er reiste, was immer sein geistiger Weg war, ein Teil von ihm würde hier bleiben. Als es Morgen wurde, löschte ich die Kerzen und das Feuer und wischte den Kreis aus. Es war ein neuer Tag, und ich hatte zu tun.
    Von diesem Tag an bis zum ersten Mai, als sich alles wiederum änderte, sonderte ich mich vom Haushalt ab, als befände ich mich hinter einem unsichtbaren Schild. Ich konzentrierte meine ganze Willenskraft auf meine Arbeit. Denn ich spürte meinen Feind ringsumher, ich spürte, wie er immer näher kam, als der Frühling in den Sommer überging, die Beeren an den Büschen sprossen, junge Vögel ihre Flügel erprobten und der Haushalt von Harrowfield seinen Kummer vergaß und zur Vorbereitung auf die Hochzeit ein tapferes Gesicht aufsetzte.
    Statt früh am Morgen nach draußen zu gehen, saß ich in meinem Garten und spann, denn Lady Anne hatte mir wie versprochen Spindel und Spinnrocken überlassen. Wenn ich nach draußen ging, dann nicht in den Obstgarten oder in den jungen Eichenwald. Nachts blieb die Wache vor meiner Tür. Ich hielt keine Ausschau, wer es war, und meine Tür blieb verschlossen. Ich gewöhnte mir an, in meinem Zimmer zu arbeiten, selbst wenn die anderen Frauen sich oben versammelten; ich wollte ihr Gerede nicht hören oder Lady Annes stirnrunzelndes Misstrauen ertragen, oder noch schlimmer, neben Margery sitzen, wenn sie mechanisch und mit leerem Blick ihrer Arbeit nachging. Sie bat nicht darum, mich noch einmal zu sehen, und ich ging nirgendwo hin, wo man mich nicht haben wollte. Also saß ich allein da und erzählte mir selbst Geschichten, und wenn ich dafür keine Energie mehr hatte, wiederholte ich im Kopf die Namen meiner Brüder. Meine Hände wurden schlimmer; ohne Margerys tägliche Behandlung waren sie wund und aufgerieben. Ich arbeitete weiter. Der Schmerz war nicht wichtig.
    Ich konnte mich nicht vollkommen isolieren. Lady Anne verlangte meine Anwesenheit beim Abendessen. Ich saß schweigend da und aß, was man mir vorsetzte. Es gab keinen John mehr, der mich überredete, mehr zu essen; obwohl Ben hin und wieder ein Stück Käse oder Obst auf meinen Teller legte und eine Bemerkung darüber machte, dass so wenig von mir übrig war, dass ich bald ganz weg sein würde. Ich warf ihm einen scharfen Blick zu, und er zwinkerte. Vielleicht hassten mich nicht alle. Das freche Grinsen und die Flut dummer Witze waren allerdings verschwunden, seit wir John verloren hatten, aber Ben war zu keiner Bosheit imstande, und ich glaubte, dass er sich immer noch irgendwie für mich verantwortlich fühlte, vielleicht, weil er Zeuge meiner Rettung vor dem Ertrinken geworden war. Vielleicht auch, weil er versagt hatte, Hugh von Harrowfield von der einzigen falschen Entscheidung seines Lebens abzuhalten.
    Ein- oder zweimal begegnete ich dem Roten in einem Flur, denn wir konnten uns nicht vollkommen meiden. Ich senkte den Blick und huschte vorbei wie ein Schatten. Wenn er mit mir sprechen musste, war sein Verhalten höflich, aber distanziert; und von dem, was in jener Nacht zwischen uns vorgegangen war, wurde kein Wort gesprochen und kein Blick wies darauf hin. Es hätte nie geschehen sein können, wäre der Bruch zwischen uns nicht gewesen, den keiner zu überbrücken versuchte. Es war besser so. Ich hatte zu tun und keine Zeit für Ablenkungen. Er musste sich um sein Haus kümmern, und zwar schnell, denn der erste Mai kam erschreckend rasch näher.
    Ich hörte von anderen von seinen Ermittlungen über die Steinlawine und Johns Tod. Dass der zweite Mann, der oben Wache gestanden hatte, einer der Männer aus Northwoods gewesen war, der Elaine auf ihrem Besuch begleitet und in Harrowfield geblieben war. Dass er an jenem Tag, als es geschah, die Stelle eines anderen eingenommen hatte, ohne dass John davon informiert wurde. Dass man ihn seitdem nicht mehr gesehen

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