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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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auf!« Meine Stimme kam krächzend heraus, schwach von Jahren des Schweigens. Aber er hörte mich und drehte sich um, und der Pfeil traf ihn mit einem ekelerregenden Geräusch in die Schulter.
    Die Ungeheuerlichkeit dessen, was ich getan hatte, war wie ein Stich ins Herz. Ich war nicht in der Lage gewesen, mich zu bremsen. Ich hatte das Schweigen gebrochen. Flammen waren nun überall; die Plattform am Scheiterhaufen verfärbte sich schwarz. Es gab kleine, zischende, knackende Geräusche aus der untersten Holzschicht. Ich sah zu, wie der Rote hinter sich griff und den Schaft des Pfeils abbrach wie einen Zweig, und den anderen Teil herausriss, die Zähne in einer schmerzlichen Grimasse gefletscht. Immer noch drängte er sich weiter vor. Und dann teilte sich die Menge rasch, um ihn durchzulassen, und er erreichte den Fuß des Scheiterhaufens. Richard streckte den Arm aus, um ihn aufzuhalten, und ein Schlag ins Gesicht ließ ihn in die Menge stürzen. Dann sprang der Rote, sprang durch die Flammen und die Hitze zur zweiten Schicht, die bestiefelten Füße geschickt auf dem glimmenden Holz, stieg weiter nach oben, schnitt einmal, zweimal die Seile durch, die mich banden. Sein Gesicht war bleich wie der Tod. Die Flammen leckten an den höchsten Scheiten. Er packte mich um die Taille, warf mich über die Schulter wie einen Kartoffelsack und sprang, diesmal ungelenk, so dass wir beide mitten auf die glimmende hölzerne Plattform stürzten, die neben dem Scheiterhaufen stand. Einen Augenblick später flackerte etwas auf, es rauschte, und das Feuer nahm eine unheimliche Grünfärbung an. Das seltsame Licht beleuchtete den ganzen Hof, beleuchtete aufgerissene Münder und weit offene Augen, schimmerte auf der Gestalt eines Bogenschützen, der aus einem offenen Fenster zurückwich, beleuchtete das wutverzerrte Gesicht Richard von Northwoods, in dessen Züge sich nun Angst mischte.
    Ich spürte, wie sich der Arm des Roten wie ein Schild gegen den Rest der Welt um mich schloss. Er hatte seinen Mund in mein Haar gedrückt, und sein Herz klopfte heftig unter meiner Wange. Ich schloss die Augen, klammerte mich mit beiden Händen an sein Hemd, und weinte. Nun hatte ich sie verloren, nun hatte ich sie alle verloren. Wie hatte ich das nur tun können? Wie hatte ich sprechen können, nach so langer Zeit – wie hatte ich sprechen können, bevor der Bann gebrochen war? Dennoch wusste ich tief im Herzen, dass ich nicht hätte ruhig bleiben können, denn in diesem Augenblick hatte nur gezählt, dass der Rote am Leben bleiben musste. Ich hatte ihn gerettet; aber ich hatte meine Brüder verloren.

KAPITEL 14
    Das Feuer brannte grün und golden, und es gab kleine Explosionen. Es roch nach versengten Federn. Die Menge keuchte, und dann wurde der Lärm lauter. Unter meiner Wange war das Hemd des Roten feucht von Blut und Tränen. »Es wird alles gut«, sagte er wieder und wieder. »Es wird alles gut, Jenny, es wird alles gut.« Dann spürte ich plötzlich, wie er den Arm fester um meine Schultern schlang.
    »Wenn du sie anfasst«, sagte er sehr leise, »bringe ich dich um.«
    »Ich bin ihr Bruder, du Narr«, sagte jemand in einer Sprache, die der Rote nicht verstehen konnte. Ich konnte mich nicht umdrehen, so fest hielt er mich.
    »Er kann dich nicht verstehen, Diarmid.«
    Ich konnte es nicht glauben, aber Conors Stimme fuhr fort und übersetzte ruhig: »Wir sind ihre Brüder, wir sind gekommen, um Sorcha nach Hause zu holen. Wir werden niemandem etwas tun, wenn Ihr uns sicheres Geleit von Eurem Land gewährt. Unsere Schwester braucht Euren Schutz nicht mehr.« Einen Augenblick lang schlang sich der Arm noch fester um mich, dann ließ er los. Ich drehte mich um, und Conor riss mich hoch wie ein Kind, und dann waren sie alle da, Liam rief laut, Diarmid fluchte, Cormack und Padraic hatten sich bereits mit kurzen Schwertern bewaffnet, die sie ein paar Männern abgenommen hatten, die nun ächzend unten an der Treppe lagen. Diarmid warf Blicke in die Menge, versuchte, die Gegner abzuschätzen, maß die Entfernung, die er zurücklegen musste. Mir wurde plötzlich klar, dass wir hier oben vollkommen ausgeliefert waren und dass die Dielen nicht weit von uns zu brennen begonnen hatten.
    »Hattest du vor, zu verbluten oder auf das Feuer zu warten?« Ben erschien wie aus dem Nichts, das Haar golden im Licht der Flammen. Er beugte sich nieder und zog den Roten auf die Beine. »Falls dir das nicht aufgefallen ist – dieses Ding da brennt. Hier.« Er schob

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