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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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meinen Händen, das allerletzte, das nur einen Ärmel hatte und schmutzig von Blut und Tränen war. Schnell, Finbar. Schnell.
    Die Schwäne schlurften ungelenk umher, reckten die langen, verwundbaren Hälse zum Himmel. Die Mierenhemden hingen ihnen locker über die großen, weißen Körper. Jetzt, Finbar! Ich schaute hierhin und dorthin, in den Himmel, über die Menge hinweg. Ich wollte nicht nach unten sehen, wo das Feuer glühte, sich weiter ausbreitete, einen Zweig nach dem anderen entlanglief, angefackelt von der Brise. Ich spürte die Hitze an meinen Füßen und Beinen, spürte, wie die Luft des Feuers meine Röcke wehen ließ. Es tat noch nicht weh, noch nicht. Die Schwäne wichen zurück, die Flammen spiegelten sich in ihren verängstigten Augen. Der Himmel war dunkel; ich konnte keine Vögel dort erkennen. Ganz hinten in der Menge wurde es unruhig. Leute riefen. Ich schaute dorthin. Sah direkt in Augen von der Farbe von Schatten auf Eis; in ein Gesicht, das ich so viele Nächte in meinen Träumen gesehen hatte. Er war hager vor Erschöpfung, seine Miene wild vor Schrecken und Wut. Er hatte eine lange, frische Narbe auf der linken Wange, und sein Auge war blaugeschlagen. Er schob sich mit Gewalt durch die Menge, es war ihm gleich, wen er beiseite stieß. Hinter ihm zwei andere Männer, einer mit hellem Haar und dem Wappen von Harrowfield. Der zweite jung, hochgewachsen, kräftig. Ein Mann mit Haar wie ein Gerstenfeld in der Sommersonne und leuchtend blauen Augen.
    »Lord Hugh«, riefen die Leute. »Lord Hugh ist zurückgekehrt.« Und dann: »Simon, seht, es ist Master Simon!« Die Flammen begannen, an der zweiten Schicht zu lecken. Ich versuchte, einen Fuß zu heben, dann den anderen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Jetzt tat es wirklich weh. Über mir wendete sich der Wind, ein seltsamer, unruhiger Wind, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte, und auf seinen Wirbeln kam ein weiterer Schwan langsam, so langsam, als hätte er kaum die Kraft, die großen Flügel zu bewegen. Die Leute zeigten nach oben.
    »Lasst mich durch!« schrie der Rote. »Lasst mich vorbei!« Aber er war gefangen im Gedränge, und alle reckten sich, um den Schwan zu sehen oder das Feuer, und seine Stimme ging im Lärm unter, als sie schwatzten und aufgeregt schrien. Die Hitze drang von den Eschenscheiten nach oben; der einsame Vogel sank nieder, dorthin, wo ich stand und mein letztes Hemd umklammerte. Unter meinen nackten Füßen qualmte das Holz. Schnell, Finbar, schnell. Nun kreiste er, als wüsste er nicht, wo er landen sollte. Beeil dich. Leute begannen sich zu bewegen, vielleicht, um Hugh durchzulassen, vielleicht wegen des kleinen scharfen Messers in seiner Hand. Unten am Scheiterhaufen stand Richard reglos und beobachtete mich, blind für alles außer seinem Augenblick des Sieges. Die Flammen wuchsen, näherten sich stetig. Sie hatten beinahe die ersten getränkten Scheite erreicht. Heißes Feuer, das brennt und glüht und nur die Knochen übrig lässt.
    »Jenny!« schrie der Rote und stieß zwei von Richards Männern beiseite. »Jenny!« Er war kreidebleich. Und ich sah etwas glitzern, etwas, das das Feuerlicht reflektierte, hoch über den Köpfen der Menge. In einem Fenster des Hauses stand ein Bogenschütze mit gespanntem Bogen, die Finger an der Sehne. Er zielte nicht auf mich und auch nicht auf den sechsten Schwan, der nun dicht über den Köpfen der Menge kreiste. Er zielte auch nicht auf Ben oder den goldhaarigen Mann, der seinem Bruder durch die Menge verblüffter Menschen folgte. Er zielte auf Hugh von Harrowfield, der jene, die um ihn herumstanden, hoch überragte, dessen leuchtendes Haar ihn zu einem einfachen Ziel machte. Richard hatte mir gesagt, als er mich in der Zelle neckte, dass er mich aus dem Weg haben wollte, bevor der Rote zurückkehrte. Er sagte, er könne für eine Verspätung sorgen, eine Ablenkung, hatte er gesagt. Das hier war etwas mehr als eine Ablenkung.
    Niemand hatte es gesehen. Niemand außer mir. Ich spürte eher, als dass ich sah, wie sich die Hand an der Sehne bewegte, denn mein Blick ging zurück zum Roten, der sich gegen das Meer dicht gedrängter Körper warf. Meine Füße schmerzten, und der Saum meines Gewandes begann zu glimmen. Und dann kam eine Windbö aus dem Nichts und riss mir das sechste Hemd aus den Händen und hoch in die Luft, weit aus meiner Reichweite. Der Rote stand hinter zwei Wachen, die ihn nicht durchließen. Der Bogenschütze war beinahe reglos.
    Ich schrie. »Roter, hinter dir! Pass

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