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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Luft.
    »In seinem Haushalt war sie wie ein wildes Tier, das man plötzlich auf einen Bauernhof gebracht hatte, wie eine noch nicht flügge Eule in einem Hühnerstall. Mit ihrem tiefen Schweigen, mit der seltsamen Aufgabe, zu der sie sich verpflichtet hatte, Arbeit in Schmerz und Einsamkeit unter den verständnislosen Blicken seiner Familie, erfüllte sie ihn mit einer Verwirrung, wie er sie nie zuvor gekannt hatte.
    Er konnte kaum mehr tun, als sie zu schützen, es schien wichtig, dass sie in Sicherheit war. Er verstand nicht, was sie tat, aber er wusste irgendwie, dass er ihr helfen musste, ihre Aufgabe zu vollenden, wenn er jemals ihre Stimme hören, wenn er jemals imstande sein wollte, ihr zu sagen … ihr zu sagen …«
    Ich setzte dazu an, zu sprechen, dann verbiss ich mir die Worte. Aber ich musste ein Geräusch von mir gegeben haben, denn der Rote erstarrte einen Augenblick und drehte den Kopf. Er wusste nun, dass ich anwesend war.
    »In seinem Haus wuchs sie und veränderte sich, war aber immer noch unmissverständlich sie selbst. Stark, liebenswert und wahr. Ohne sprechen zu können, sprach sie zu ihm, wie es keine andere konnte, mit ihren anmutigen, verstümmelten Händen und ihren großen, grünen Augen. Obwohl er oft selbst nicht wusste, was er sagen sollte, verstand sie ihn, wie es keine andere je getan hatte. Er sah, wie sie über ihre Hände weinte, die geschwollen und schwielig waren von ihrer Arbeit, und hörte, dass andere sie hässlich nannten. Er sah, was andere nicht sehen konnten, sah die Kraft, die Sanftheit und die Schönheit dieser Hände, und er lag nachts wach und sehnte sich danach, sie auf seinem Körper zu spüren. Aber sie war verletzt worden, und sie wich vor ihm zurück. Er konnte ihr nicht sagen, was sein Herz empfand. Er wagte nicht, sie noch mehr zu verschrecken, denn wenn er sie verloren hätte, hätte er alles verloren. Jeden Tag wurde es ihm klarer, während er sich weiter um sein Haus und seine Ländereien kümmerte. Ohne sie würde er kein Leben haben.«
    In Conors Stimme schwang deutliche Ablehnung mit, als er das übersetzte, aber er war verpflichtet, genau zu sein, denn zumindest drei von uns hier verstanden die Sprache der Briten. Dann sagte er: »Diese Geschichte gefällt mir nicht.« Es war wie ein Messerstich. »Wenn dieser Mann so empfand, warum überließ er das Mädchen der Gnade seines Verwandten, der sowohl ein Verräter als auch wahnsinnig war? Wie könnte ein Mann, der einen solchen Fehler gemacht hat, jemals einer Frau wert sein, wie du sie beschreibst?«
    »Mit allem Respekt«, sagte der Rote, und seine Stimme war so leise gewesen, dass die Leute in der Küche sich nicht mehr rührten, um ihn verstehen zu können, »meine Geschichte ist noch nicht zu Ende, also solltet Ihr mich weiter anhören. Und es ist ihre Antwort, die ich hören will, nicht Eure.«
    »Lass den Mann weiterreden«, sagte mein Vater. »Für einen Briten kann er gut mit Worten umgehen. Ihn anzuhören, verpflichtet uns zu keiner Entscheidung.«
    »Ich danke Euch für diese Höflichkeit, Herr«, sagte der Rote in die Richtung meines Vaters. Dann wandte er sich wieder Conor zu. »Ihr habt Recht«, fuhr er fort. »Dieser Mann hat tatsächlich, wie Ihr sagt, einen schweren Fehler gemacht. Einen, der immer noch bewirkt, dass er nachts voller Schrecken erwacht, wenn er daran denkt, wie nahe er daran war, sie an das Feuer zu verlieren. Und wie seine Vernachlässigung das Mädchen beinahe das Leben gekostet hat, ebenso wie die Möglichkeit, die schreckliche Aufgabe zu vollenden, die ihr soviel bedeutete. Er glaubte sie in Sicherheit, geschützt von seinem Namen und seinem Ehering, sicher im Schoß seiner Familie. Er ging das Risiko ein, sich auf Reisen zu begeben, um seinen verlorenen Bruder wieder zu finden, der ebenfalls in großer Gefahr war; er kehrte gerade noch rechtzeitig nach Hause zurück, um sie zu retten. Nie hat er solche Angst erfahren wie in jener Nacht, nie hatte er einen Laut gehört, der ihn so tief ins Herz traf wie ihre Stimme, die seinen Namen rief, um ihn vor Gefahr zu warnen, obwohl sie doch selbst in höchster Gefahr war. Einen Augenblick lang glaubte er … er gestattete sich zu glauben … einen Augenblick lang hielt er sie in den Armen, und sein Herz war wieder ganz. Dann ließ er sie los, denn sie war umgeben von starken Männern, von ihren eigenen Verwandten, die sie schützten. Sie war wieder in Sicherheit, und endlich war der Grund für die lange, grausame Zeit des

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