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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Verstand«, meinte der andere Mann.
    »Ich werde morgen mit euch darüber reden«, knurrte Donal drohend, und beide Männer verzogen das Gesicht. »Ihr lasst niemanden durch, habt ihr mich verstanden? Niemanden.«
    »Was habt Ihr hier zu suchen, Hugh von Harrowfield?« fragte Conor streng in der fremden Sprache. »Euer Volk ist in Sevenwaters alles andere als willkommen. Habt Ihr meiner Familie nicht schon genug Schaden zugefügt? Ich bin verblüfft, dass Ihr es wagt, Euren Fuß in diesen Haushalt zu setzen.«
    Der Rote räusperte sich. »Ich bin hergekommen, um mit meiner Frau zu sprechen«, sagte er. Sie hatten ihm die Augenbinde nicht abgenommen. »Wo ist Jenny?«
    Mein Herz klopfte heftig. Conor übersetzte für die anderen. Liam warf mir einen Blick zu, legte den Finger auf die Lippen. Aber ich musste ihm sagen, ich wollte ihm sagen –
    Warte, Sorcha. Lass ihn reden.
    Ich warf Finbar, der im Schatten stand, einen Blick zu. Er hatte solche Anweisungen nie ohne Grund gegeben. Warum? Warum muss ich den Mund halten?
    Wenn du die Worte aus seinem Herzen hören willst, dann warte und schweige.
    »Wer ist dieser Mann?« wollte mein Vater wissen, und er klang beinahe wieder wie sein altes Selbst. »Und welche Frau meint er?«
    »Das ist der Brite, von dem wir gesprochen haben«, sagte Liam kühl. »In dessen Haus unsere Schwester beinahe getötet wurde. Er half uns, von diesen Ufern zu fliehen, aber wir sind ihm nichts schuldig.«
    »Ich bin verblüfft, dass so einer wagt, sich hier zu zeigen«, sagte Donal, der immer noch den Dolch in der Hand hatte. »Was hat er vor?«
    Die Binde um die Augen war stark und fest. Der Rote konnte nichts sehen. Sein Gesicht unter dem dunklen Tuch war bleich. Er war lange unterwegs gewesen. Er war offenbar unbewaffnet, obwohl ich annahm, dass er irgendwo ein kleines, scharfes Messer versteckt hatte.
    »Ich möchte nur mit meiner Frau sprechen«, sagte er abermals und ziemlich müde. »Ich will niemandem etwas tun. Ist sie hier?«
    »Ihr habt keine Frau, Brite«, sagte Liam. »Unsere Schwester steht unter unserem Schutz, und sie ist zufrieden, bei ihrem Volk zu leben. Für Euch gibt es in ihrem Leben keinen Platz.« Conors Übersetzung war grausam präzise.
    »Sie soll mir das selbst sagen«, forderte der Rote leise. »Lasst sie es mir sagen und ich gehe.« Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
    Dann überraschte uns mein Vater, indem er sich noch mal einmischte.
    »Wir hatten heute Nacht wenig Unterhaltung, so müde wie wir sind. Vielleicht hat dieser Bursche eine gute Geschichte für einen Winterabend. Vielleicht kann er mit einer solchen Geschichte erklären, wieso er hier ist. Bringt dem Briten einen Stuhl und macht ihm Platz. Lasst ihn sprechen, und wir sind still und hören ihn an. Conor wird für ihn übersetzen. Das ist nur gerecht. Ich spüre hier ein Geheimnis, das über das hinausgeht, was meine Augen sehen; ich werde mein Urteil nicht zu hastig fällen.« Also brachten sie ihm einen Hocker und der Rote setzte sich hin, schlug die langen Beine übereinander, aber sie nahmen ihm weder die Augenbinde noch die Fesseln ab.
    Er saß sehr aufrecht, und der Feuerschein ließ sein Haar erst golden, dann scharlachrot, dann kupfern schimmern. Es fiel mir schwer zu atmen. Janis, Donal und die Männer und Frauen des Haushalts standen oder saßen mit erwartungsvollen Mienen da, die Becher in der Hand. Ich wusste nicht, was ich empfand. Ich zitterte vor Entzücken darüber, ihn wieder zu sehen. Ich sah die Männer meines Haushalts an, die offenbar immer Spiele spielen mussten, die keinen Fremden akzeptieren konnten, ohne ihn zu prüfen. Hätten sie den Roten gebeten, mit einem Schwert, einem Messer oder mit bloßen Händen und Füßen zu kämpfen, wäre er gut gegen den besten unter ihnen angekommen. Das wusste ich. Hätten sie ihn gebeten, eine eingestürzte Mauer zu reparieren oder sich um ein krankes Tier zu kümmern oder am Verhandlungstisch für sie zu sprechen, dann wäre er der richtige Mann gewesen. Aber er war kein Geschichtenerzähler; nicht für eine Versammlung von Fremden wie diese. Er war kein Schauspieler. Er hatte mir einmal eine Geschichte erzählt; aber das war für eine einzige Zuhörerin gewesen, und hatte nicht sogar seine eigene Mutter gesagt, dass er mit mir sprach wie mit sich selbst? Die Aufgabe, die mein Vater ihm gestellt hatte, war die schwerste, die man sich hätte denken können. Für einen solchen Mann, der seine Gefühle tief in sich verschloss,

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