Die Tochter der Wanderhure
der einzige Verdächtige! Außerdem hatte er die Tat offenangedroht. Er wollte sich für den Schnitt rächen, den ich ihm zugefügt habe«, erklärte Trudi zornig.
»Ach ja?« Pratzendorfer atmete tief durch und bat Graf Magnus, ihm die Verdachtsmomente zu nennen, die gegen dessen Bruder standen.
Dieser tat es und erwähnte dabei auch den Dolch. »Mein Bruder beschwört, er habe ihn nicht mehr gefunden, nachdem Eichenloh ihm die Waffe aus der Hand geschlagen hatte. Doch ohne einen Zeugen, der gesehen hat, wie ein anderer den Dolch an sich genommen hat, steht diese Behauptung ohne Beweis im Raum.«
Der Prälat wiegte den Kopf, als müsse er über die Sache nachdenken. »Wenn Graf Otto bereit ist, einen Reinigungseid zu leisten, wären diese Zweifel aus der Welt geschafft.«
Marie fuhr auf. »Selbst die heilige Kirche weigert sich, den Eid eines Betrunken anzuerkennen, und nüchtern könnt auch Ihr diesen Mann nicht nennen!«
Pratzendorfer sah hochmütig auf Marie herab, konnte aber seinen Ärger nicht ganz verbergen. Ihr Einwand machte es ihm unmöglich, diese Angelegenheit in seinem Sinne zu klären. Die beiden Henneberger zählten zu den eifrigsten Anhängern des Würzburger Fürstbischofs. Aus diesem Grund durfte er Graf Otto nicht als Schuldigen dastehen lassen, zumal er ja den wirklichen Mörder kannte. Für ein paar Augenblicke schwankte er, ob er Gressingens Verbrechen aufdecken sollte. Der Junker hatte die Burg längst verlassen und war auf dem Weg zu einem fernen Ziel. Aber es durfte ihm nicht das geringste rufschädigende Gerücht an den Ort folgen, an den er geschickt werden würde, sonst würde er die Tat, für die Pratzendorfer ihn ausgewählt hatte, nicht vollbringen können. Daher musste ein anderer als Schuldiger entlarvt werden, und zwar ein Mann, der nicht zu den Gefolgsleuten des Fürstbischofs gehörte. Sein Blick heftete sich auf Eichenloh, der Graf Otto mit flammenden Worten verteidigte, und auf seinen Lippen erschien ein seltsames Lächeln.
»Otto von Henneberg kann wirklich nicht der Mörder sein, denn ich habe gesehen, wie Ihr, Eichenloh, ihn in den Schlafsaal gebracht habt, und da war seine Dolchscheide leer.«
Während die beiden Henneberger aufatmeten und Eichenloh bestätigend nickte, verhärtete Maries Miene sich. »Wer anders als Graf Otto hätte meinen Mann umbringen sollen? Immerhin hat er ihn vor allen Leuten bedroht.«
Sie bot Pratzendorfer damit den Aufhänger, auf den dieser gewartet hatte. »Darf ich Euch daran erinnern, dass Otto von Henneberg nicht der Einzige war, der Euren Gemahl und Eure ganze Sippe geschmäht hat?«
Unwillkürlich wandten sich alle zu Peter von Eichenloh um, der im ersten Augenblick gar nicht begriff, was der Prälat damit hatte sagen wollen. Als er merkte, wohin der Wind sich gedreht hatte, hob er abwehrend die Hände. »Wollt Ihr damit behaupten, ich wäre der Mörder?«
»Nun, Ihr habt den Reichsritter auf Kibitzstein nicht weniger beleidigt und bedroht als Graf Otto, und im Gegensatz zu ihm steht Ihr sicher auf Euren Beinen und könnt diese steile Treppe ohne weiteres bewältigen.« Pratzendorfer gratulierte sich, denn mit diesem Schachzug wusch er einen Gefolgsmann des Fürstbischofs rein und richtete den Verdacht auf einen Gegner Würzburgs. Seine Begleiter hatten ihm genug über den Söldnerführer Eichenloh erzählt, um diesen nicht in den Reihen derer sehen zu wollen, die gegen Gottfried Schenk zu Limpurg standen. Zudem verhalf er damit dem Fürstbischof zu einer persönlichen Rache und konnte sich diesen noch mehr verpflichten.
Obwohl Pratzendorfer leise, ja fast ein wenig zögerlich gesprochen hatte, schlugen seine Worte wie ein Blitz ein. Trudis Augen flammten voller Hass auf, denn sie hatte Eichenloh weder die Begebenheit in Dettelbach vergessen noch die Beleidigungen, die er ihrem Vater und ihr hier an den Kopf geworfen hatte.
Auch Magnus von Henneberg schnappte nach dieser Deutungwie ein hungriger Hund nach einem Knochen. »Der hochwürdige Herr Prälat hat recht, Eichenloh. Ihr habt noch härtere Drohungen gegen den Kibitzsteiner ausgestoßen als mein Bruder. Otto mag aufbrausend sein, aber er ist niemand, der einen anderen Menschen kalten Blutes erschlägt. Euch hingegen gilt ein von Eurer Hand Erschlagener nicht mehr als ein erlegter Hirsch.«
Eichenloh wurde klar, dass Magnus von Henneberg bereit war, ihn für seinen Bruder zu opfern, und verfluchte sich selbst, weil er zu Ottos Gunsten eingegriffen hatte. Dann aber
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