Die Tochter der Wanderhure
schüttelte er den Kopf. Otto konnte nicht Michel Adlers Mörder sein, und er war es ebenso wenig. Mühsam zwang er sich zur Ruhe und wandte sich an Marie. »Erlaubt mir die Frage, ob Euer Gemahl noch andere Feinde besitzt als diesen jungen Narren und mich?«
Marie wollte schon heftig verneinen, dachte dann aber an den Zwischenfall, hinter dem die Äbtissin des Frauenstifts Hilgertshausen stehen musste. »Feinde hat ein jeder, denke ich.«
»Kann es nicht sein, dass jemand Graf Ottos und meine unbedachten Worte gehört hat und seinen Vorteil daraus ziehen wollte? Immerhin wurde Euer Gemahl fern von allen Leuten im Gemüsegarten ermordet. Das ist kein Ort, den sich ein Hitzkopf für einen Mord im Affekt aussuchen würde. Gewiss weilte Ritter Michel nicht ohne Grund an dieser Stelle. Ein so abgeschiedener Ort ist geeignet für Gespräche, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind.«
Trudi tat dieses Argument mit einer verächtlichen Geste ab. »Ihr verteidigt Euch so geschickt, so als hättet Ihr Eure Worte bereits vorher zurechtgelegt!«
Der Prälat nahm den Ball auf, den sie ihm unbewusst zuspielte. »Da muss ich der jungen Dame recht geben!«
Eichenloh hätte ihn trotz seines hohen kirchlichen Amtes am liebsten wie einen aufmüpfigen Knecht niedergeschlagen. Allerdingswusste er, dass eine solche Handlung sofort zu seinen Ungunsten ausgelegt werden würde. Nur wenn er gelassen blieb und sich nicht provozieren ließ, konnte er unbeschadet aus dieser elenden Situation herauskommen.
»Ich bin bereit, jeden Eid zu schwören, dass ich keine Hand an den Reichsritter Michel Adler auf Kibitzstein gelegt habe, und im Gegensatz zu Graf Otto vermag mich wohl keiner betrunken zu nennen.«
Der Trumpf stach, denn ein Meineid auf heilige Reliquien war gleichbedeutend damit, seine Seele dem Teufel zu überlassen. Doch sein Gewissen war rein. Eichenloh sah den Markgrafen nicken, während Graf Magnus die Stirn in Falten legte. Leistete Eichenloh diesen Schwur, würde sein Bruder wieder in Verdacht geraten.
Cyprian Pratzendorfer, der selbst vorgeschlagen hatte, Graf Otto den Reinigungseid schwören zu lassen, brachte nun allerlei Einwände vor. »Ein Mord an einem Reichsritter ist eine schwere Sache, bei der es schon des Eides eines wahren Edelmanns bedarf, um von diesem Verbrechen freigesprochen zu werden. Seid Ihr ein solcher Edelmann, Eichenloh? Ich halte Euch für einen Söldner bürgerlicher Abkunft, der allein aufgrund seines Geschicks mit dem Schwert von diesen Herren hier an ihrem Tisch geduldet wird.«
Über Eichenlohs Gesicht huschte ein Schatten, der sich aber sofort wieder verlor. Er vermochte sogar ein wenig zu lächeln, als er sich dem Prälaten zuwandte. »Ich habe geschworen, nie mehr den Namen der Sippe zu nennen, der ich entstamme. Doch einige der Herren hier werden bestätigen können, dass in mir das Blut von Königen, Herzögen und Grafen fließt, welches seit mehr als sechs Generationen niemals durch geringeres Blut verdünnt worden ist.«
Trudi sog überrascht die Luft ein, während Maries Miene ihre gesamte Verachtung für den hohen Adel ausdrückte, die sie inden mehr als fünf Jahrzehnten ihres Lebens angesammelt hatte. Auf Pratzendorfers Gesicht machte sich Unglauben breit, und Magnus von Henneberg begann, Eichenlohs Worte wider besseres Wissen anzuzweifeln, um es ihm unmöglich zu machen, den Reinigungseid zu leisten.
Doch zwei andere Gäste, die Eichenlohs Herkunft kannten, nickten eifrig, und einer von ihnen ergriff sofort das Wort. »Ich kann bestätigen, was Herr von Eichenloh gesagt hat. Er könnte sich ungestraft Graf nennen, hätte er den Namen seines Vaters nicht nach einem Streit abgelegt und sich so benannt, wie wir ihn jetzt kennen.«
»Wie es aussieht, legt Herr von Eichenloh eine gewisse Unverträglichkeit mit seinen Verwandten an den Tag, denn er ist nach allem, was man hört, auch von seinem Oheim im Streit geschieden, obwohl dieser ihn zu seinem Erben hat machen wollen«, stichelte Graf Magnus in hilfloser Wut.
Eichenloh ging mit einem Achselzucken darüber hinweg und sah den Prälaten spöttisch an. »Reicht Euch diese Aussage, oder soll ich den Herold des Königs rufen lassen, damit er meine Worte bestätigt? Er könnte Euch auch das Wappen zeigen, das zu führen ich berechtigt wäre.«
Pratzendorfer sah seine Hoffnung schwinden, Eichenloh als Sündenbock für den Tod des Kibitzsteiners hinzustellen. Aber er gab sich noch nicht geschlagen. »Ihr müsst beweisen, dass Ihr
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