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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zukommen zu lassen.«
    Hiltrud weinte bei dem Gedanken und führte Maries rechte Hand mit einer Geste tiefer Dankbarkeit an ihre Stirn.
    Marie strich ihr mit der Linken über die Wange und sagte sich, dass wohl selten jemand eine treuere Freundin gehabt hatte als sie. »Weißt du, Hiltrud, ich habe mir überlegt, Trudi mit Michi zu verheiraten. Das wäre in meinen Augen der rechte Dank an dich für alles, was du, dein Mann und deine Kinder für mich getan haben.«
    Obwohl auch ihr der Vorschlag zunächst verlockend erschien, schüttelte die Ziegenbäuerin heftig den Kopf. »Das wäre nicht gut! Der Standesunterschied zwischen den beiden ist zu groß. Außerdem musst du an Falko denken. Mit Michi als Schwager würde dein Sohn bei den edlen Herren in der Nachbarschaft nur als besserer Bauer gelten. Nein, Marie, eine solche Verbindung würde weder deiner noch meiner Familie nützen. Du hast mehr als genug für uns getan. Denk nur an Mariele, der du die Ehe mit dem reichen Kaufherrn Anton Tessler aus Schweinfurt ermöglicht hast. Jetzt macht Karel meiner Mechthild schöne Augen. Wenn sie ihn mag, habe ich nichts dagegen, dass sie ihn heiratet. Was meine jüngeren Söhne angeht, so wird Dietmar unseren Hof übernehmen und Giso Pfarrer werden. Du und Michel habt ja schon angeboten, dass er einmal die Priesterstelle von Kibitzstein übernehmen kann. Bei Gott, mehr Glück kann ich wirklich nicht erwarten, und ich werde mein Lebtag nicht abtragen können, was du und Michel für mich und die Meinen getan habt.«
    Hiltrud umarmte Marie und seufzte tief. »Es tut mir im Herzen weh, dich so niedergeschlagen zu sehen!«
    »Trauer gehört ebenso zum Leben wie Freude. Nur schmeckt die Letztere besser. Du hast mir sehr geholfen, indem du mir den Kopf heute wieder genauso zurechtgesetzt hast wie früher. Damals habe ich es ja auch das eine oder andere Mal gebraucht.« Marie lächelte unter Tränen und sah dann in die Ferne, als erblickesie bereits die Scharen ihrer Gegner. Dabei verhärtete sich ihre Miene.
    Nun war Hiltrud sicher, dass ihre Freundin den schlimmen Schicksalsschlag überwinden und mit neuer Kraft in die Zukunft gehen würde.

10.
    I n den nächsten Tagen schien es, als habe die Welt Kibitzstein vergessen. Weder erschien ein Nachbar, um Marie und ihren Töchtern sein Bedauern über Michels Tod mitzuteilen, noch gab es neue Provokationen von Hilgertshausener Seite. Marie blieb jedoch auf der Hut. Die Äbtissin hatte ihnen den Fehdehandschuh hingeworfen und würde jeden Vorteil nutzen, der sich bieten mochte. Auch vom Fuchsheimer, für den Michel bei den Kaufleuten in Volkach und Gerolzhofen gebürgt hatte, kam kein Bote. Zwar besaß Marie die Pfandurkunden, die Bonas Vater unterschrieben hatte, aber ihr war klar, dass es nicht leicht sein würde, ihn dazu zu bewegen, diese auch einzulösen.
    Arbeit gab es für Marie mehr als genug, und da Michel und sie die meisten Entscheidungen miteinander gefällt hatten, wusste sie, wie er gehandelt oder was er ihr geraten hätte. Ihre Töchter gaben ihr Bestes, sie zu unterstützen, und niemand, der Trudi, Lisa und Hildegard erst in diesen Tagen erlebt hätte, würde sich vorstellen können, dass die drei noch ein Vierteljahr zuvor wie Wildlinge durch Feld und Flur getobt waren. Der Überfall der Hilgertshausener hatte nun jedem noch so harmlosen Ausflug ein Ende gesetzt. Um zu verhindern, dass ihre Töchter entführt und als Druckmittel gegen sie eingesetzt wurden, ließ Marie sie nur selten aus der Burg, und wenn sie die Ziegenbäuerin oder Alika besuchten, mussten sie ein halbes Dutzend bewaffneter Knechte mitnehmen.
    Früher hätte Trudi gegen diese Einschränkungen aufbegehrt, aber nun sagte sie ihrer Mutter jedes Mal Bescheid, wenn sie Kibitzstein verließ, und sorgte selbst für ihre Sicherheit und die ihrer Schwestern. Den größten Teil der Zeit aber verbrachte sie damit, Arbeit von Anni oder ihrer Mutter zu übernehmen und das Gesinde zu überwachen.
    Dabei trauerte sie noch stärker um ihren Vater als in den ersten Tagen. Gleichzeitig träumte sie von Junker Georg, von dem sie sich Rettung aus der beengenden Situation versprach, und mit jedem Tag, der verstrich, ohne dass der Ersehnte erschien, wuchs ihr Elend.
    Anstatt sie wegen ihrer Liebe zu Gressingen zu verspotten, wie sie es früher getan hatte, versuchte Lisa, sie zu trösten. »Bestimmt gibt es einen schwerwiegenden Grund, weshalb Junker Georg nicht nach Kibitzstein kommt.«
    Trudi zwang sich zu einem Lächeln und

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