Die Tochter der Wanderhure
zu lernen.
»Dann werde ich abwarten, welche Vorschläge Seine Hoheit, der Fürstbischof, mir nächstens zukommen lassen wird, und danach meine Entscheidung treffen. Und Ihr, bleibt Ihr über Nacht oder wollt Ihr heute noch weiterreiten?« Maries Ausladung war nur leicht verbrämt.
Der Prälat schnaubte. »Ich werde heute noch nach Dieboldsheim reiten, um mich mit Herrn Ingobert zu besprechen. Damit Gott befohlen, meine Tochter!« Mit dem Gefühl, dass selbst der Fürstbischof Gefahr lief, sich an dieser harten Nuss einen Zahn auszubeißen, drehte Pratzendorfer Marie mit einem heftigen Ruck den Rücken zu und verließ den Saal. Dabei schmiedete er bereits an dem Hammer, mit dem er diese Nuss zu knacken gedachte.
Marie blieb gedankenverloren stehen, obwohl es die Höflichkeit erfordert hätte, den Gast bis auf den Hof zu begleiten und zu verabschieden. Aber sie konnte sich kaum noch beherrschen und hätte gewiss etwas Falsches gesagt.
Nach Michels Tod wäre sie nicht abgeneigt gewesen, sich einem der mächtigen Nachbarn anzuschließen. Da die Ansbacher Besitzungen ein ganzes Stück weiter im Süden und Osten lagen und zwischen ihnen und Kibitzstein ein breiter Streifen Würzburger Land lag, hätte sie gerne den Ausgleich mit dem Fürstbischof gesucht. Doch der Prälat war allzu leicht zu durchschauen gewesen. Sie sollte sich dem Fürstbischof unterwerfen undwürde zum Dank dafür eines Großteils ihres Vermögens beraubt werden. Dagegen würde sie sich mit aller Kraft zur Wehr setzen. Michel hätte dasselbe getan, das wusste sie und schwor sich, alles zu tun, um in seinem Sinn zu handeln.
11.
D ie drei Mädchen wagten sich erst zu rühren, nachdem die Mutter die Halle verlassen hatte. Als sie schließlich unter der Treppe hervorkrochen, zupfte Hildegard Trudi am Ärmel.
»Wird uns der Fürstbischof alles wegnehmen?«, fragte sie leise. Trudi schüttelte heftig den Kopf. »Nicht, solange es einen König im Reich gibt.«
»Aber du hast doch selbst gehört, dass Herr Friedrich uns nicht helfen kann«, wandte Lisa ein.
»Das behauptet dieser widerwärtige Mann! Doch es wird sich zeigen, ob er recht hat. Kommt mit! Ich muss dringend mit euch reden. Aber es darf keiner erfahren, was ich euch zu sagen habe, auch Mama nicht!«
Hildegard presste die Hände auf die Wangen. »Aber wir sollen vor Mama doch keine Geheimnisse haben.«
»Manchmal ist es notwendig«, erklärte Trudi und tätschelte sie tröstend.
Als Lisa einen Einwand vorbringen wollte, befahl sie ihr zu schweigen und deutete mit dem Kopf auf die Magd, die gerade in die Halle trat, um den Becher zu holen, an dem Pratzendorfer nur genippt hatte. Die Frau griff hastig nach dem Gefäß und trank den Rest aus. Dann sah sie die Mädchen und zuckte zusammen, zwinkerte ihnen dann aber zu. »Ich hätte den Wein sonst ausschütten müssen – und dafür ist er wirklich zu schade.«
Trudi zwang ihr aufgewühltes Inneres mühsam zur Ruhe und nickte. »Hauptsache, er hat dir geschmeckt!«
»Das hat er, Jungfer! Das hat er wirklich.« Die Magd verschwand kichernd, und Trudi fragte sich, wieso die Leute so schnell wieder in ihre kleinen Fehler verfielen, obwohl ihr Herr erst wenige Tage unter der Erde ruhte. Aber es gab Wichtigeres als eine naschhafte Magd. Daher verließ sie den Saal und zog ihre Schwestern mit sich.
Wie Bona auf Fuchsheim besaßen die drei in einem der Türme ein Zimmer ganz für sich allein, in dem sie sich ungestört unterhalten konnten. Gerade, als sie es betreten wollten, tauchte Uta auf. »Soll ich Wache halten, damit Euch niemand überrascht?«, fragte sie, in der Hoffnung, an der Tür lauschen zu können.
Trudi kannte sie zu gut, um darauf einzugehen. »Ich glaube, Anni hat dich vorhin gesucht«, sagte sie freundlich lächelnd.
Der erwartungsfrohe Ausdruck auf Utas Gesicht erlosch. »Wirklich?«
»Ich habe sie rufen hören!«, stimmte Lisa Trudi zu, während Hildegard sich bemühte, nicht in Richtung der Magd zu schauen. Für sie stellte jede Lüge eine Sünde dar, auch wenn sie einer Magd galt, für die Anni gewiss eine Arbeit finden würde.
Genau das befürchtete auch Uta. Aber da sie die Anweisung ihrer jungen Herrin nicht missachten durfte, verließ sie gekränkt den Raum. Trudi schloss die Tür hinter ihr, schob den Riegel vor und wandte sich ihren Schwestern zu. »So, jetzt werden wir beraten, was zu tun ist, damit wir von diesem Würzburger Ungeheuer nicht gefressen werden. Mama kann ihm nicht allein standhalten.«
»Mama kann
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