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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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so grausam zu uns sein?«
    »Das weiß nur Gott! Aber willst du alles, was ihr beide aufgebaut habt, nun zusammenbrechen lassen? Du bist es Michel schuldig, Kibitzstein zu erhalten und seinen und deinen Feinden die Stirn zu bieten! Was ist mit den Schwierigkeiten, die der Würzburger Bischof dir macht? Und was mit der Äbtissin von Hilgertshausen? Die wird ihren Vogt wieder losschicken, um dir zu schaden! Oder glaubst du, dieses Weib wird jetzt Ruhe geben? Oder deine anderen Nachbarn? Die meisten werden in dir eine schutzlose Witwe sehen, die man nach Belieben berauben kann! Beweise ihnen, dass du die richtige Frau für Michel gewesen bist. Oder willst du dir den Besitz entreißen lassen, so dass dein Sohn als abhängiger Ritter in die Dienste eines anderen treten muss, während deine Töchter froh sein können, wenn ein nachrangiger Gefolgsmann des Würzburgers oder des Ansbachers sie zum Weib nimmt?«
    Einige Augenblicke lang fühlte Marie sich in die Zeit vor gut dreißig Jahren versetzt. Damals, als sie über die Landstraßen von Markt zu Markt gezogen waren, hatte Hiltrud ihr mit der gleichen Stimme Standpauken gehalten. Trotz der vielen Einwände ihrer Freundin war sie ihren eigenen Weg gegangen, und er hatte ihr Glück gebracht, zumindest bis zu dem Tag, an dem man ihr Michel entrissen hatte. Wenn sie sich nun vor der Welt verkroch, würde es ihr gehen wie damals in Rheinsobern. Dort hatte sie sich, als die Nachricht von Michels angeblichem Tod gekommenwar, in sich selbst zurückgezogen und schließlich in ein ungeheiztes Dachstübchen sperren lassen, in dem sie beinahe gestorben wäre. Wenn Hiltrud nicht gewesen wäre, hätte es kein Wiedersehen mit ihrem Mann gegeben und Trudi die Geburt nicht überlebt.
    Marie richtete sich auf und wischte sich mit einer resoluten Handbewegung die Tränen aus den Augen. »Du hast recht. Ich muss an meine Kinder denken, besonders an Falko. Ich habe schon überlegt, den Jungen zurückzuholen, damit er mir hilft, Kibitzstein zu erhalten.«
    »Das ist, mit Verlaub gesagt, keine gute Idee«, wandte Alika ein. »Die Feinde, die deinen Mann umgebracht haben, werden wohl kaum vor deinem Sohn haltmachen. Dieser Eichenloh mag den Dolchstoß geführt haben, dem Michel erlegen ist, doch jemand muss den Mord angeordnet haben. Wer anders sollte das sein als der Fürstbischof? Willst du, dass deine Feinde auch noch deinen Sohn ermorden? Sie würden auch dich und deine Töchter nicht verschonen! Die Mädchen könnten noch von Glück sagen, wenn man sie nur zu einer Heirat mit Männern zwänge, die dem Würzburger dienstbar sind, so dass dieser das gesamte Kibitzsteiner Land unter seine Herrschaft brächte.«
    Hiltrud begleitete Alikas Worte mit lebhaften Gesten. »Falko ist zu jung, um die Zügel in die Hand nehmen zu können. Kein Burgherr würde ihn bei Verhandlungen ernst nehmen, am wenigsten dieser räuberische Bischof. Lass ihn bei Heinrich von Hettenheim. Dort ist er in Sicherheit und wird zu einem wackeren Ritter erzogen, der einmal seinen Besitz zu wahren weiß.«
    Die beiden Frauen hofften, Marie überzeugt zu haben, doch diese hob abwehrend die Hände. »Ich brauche Falko, denn allein schaffe ich es nicht. Seine Ausbildung zum Ritter kann auch hier fortgesetzt werden. Hertha von Steinsfeld hat ihren Sohn ja auch selbst erzogen.«
    »Oh nein, Mama! Das darfst du meinem Bruder nicht antun.«Trudi war ungesehen in den Raum getreten und stemmte nun die Fäuste in die Hüften. »Wenn du Falko jetzt nach Hause holst, wird man genauso über ihn lachen wie über Hardwin. Den nennen alle nur Muttersöhnchen, und keiner nimmt ihn ernst. Dabei ist er ein netter Kerl! Aber er steht so stark unter der Fuchtel seiner Mutter, dass er es nicht einmal wagt, ohne ihre Erlaubnis zu furzen.«
    »Das war arg derb«, tadelte Alika sie.
    »Aber es ist die Wahrheit. Ich weiß, dass Mama Falko nie so behandeln würde wie Frau Hertha ihren Sohn. Aber die Leute würden es annehmen und alle Achtung vor meinem Bruder verlieren. Es ist wirklich besser, wenn Hettenheim ihn ausbildet. Von ihm kann er alles lernen, was er als Ritter wissen muss. Wenn du ihn zurückholst, würden alle Nachbarn glauben, du wüsstest dir nicht mehr zu helfen, und noch gieriger nach unseren Fersen schnappen.«
    »Das Küken hat recht.« Hiltrud warf ihrem Patenkind einen anerkennenden Blick zu, und Alika nickte beifällig.
    Marie barg den Kopf in den Händen. »Allein schaffe ich es nicht. Karel ist ein braver Bursche, aber er hat

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