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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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schloss Lisa in die Arme, und da Hildegard mit bettelndem Blick neben ihnen stand, zog sie auch diese an sich.
    »Was täte ich ohne euch beide?«, sagte sie und merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie es ernst meinte. Die beiden Schwestern boten ihr Trost, und wenn sie mit ihnen beriet, wie sie ihrer Mutter helfen konnten, herrschte zwischen ihnen ein herzliches Einverständnis.
    Noch während die drei die Köpfe zusammensteckten, schoss Uta in den Raum. »Jungfer Trudi, da kommt ein Reiterzug auf die Burg zu!«
    »Was? Wer ist es?« Ohne auf eine Antwort zu warten, rannte Trudi zu einem Fenster, von dem aus man den Weg nach Kibitzstein überblicken konnte. Lisa und Hildegard liefen ihr nach und starrten dem Trupp, der aus zehn Reitern bestand, ebenso nervös entgegen wie Trudi. Die Gruppe näherte sich Kibitzstein in forschem Tempo, doch noch waren sie zu weit entfernt, als dass man ihre Wappen hätte erkennen können. Dennoch wandte Trudisich ab und tupfte sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. Junker Georg, das hatte sie schnell erkannt, war nicht unter den Besuchern.
    Als die Reiter näher kamen, konnten die Mädchen erkennen, dass es sich bei ihrem Anführer um einen Kleriker handelte. Der Mann saß, wie es sich für einen demütigen Diener der Kirche gehörte, auf einem weißen Maultier, doch seine Haltung war die eines stolzen, fordernden Kriegers. Während er durch das Tor ritt, schien er sich alle Einzelheiten der Wehranlage einzuprägen.
    Als er sich von einem seiner Begleiter aus dem Sattel helfen ließ, erkannte Lisa ihn. »Das ist doch der Prälat, den wir auf Fuchsheim erlebt haben!«
    Hildegard rannte aufgeregt hin und her. »Der war es doch, der Otto von Henneberg unbedingt von dem Verdacht reinigen wollte, Papas Mörder zu sein.«
    Um Trudis Lippen erschien ein herber Zug. Sie hatte Cyprian Pratzendorfer ebenfalls erkannt, und ihr schwante, dass sein Besuch nichts Gutes zu bedeuten hatte. Während Karel auf den Prälaten zutrat und ihn begrüßte, wandte sie sich ihren Schwestern zu. »Wir sollten uns anhören, was der Kerl hier will!«
    »Mama wird uns aus dem Saal schicken«, wandte Hildegard ein. »Deshalb werden wir uns unter der Treppe verstecken. Beeilt euch! Wir müssen eher in der Halle sein als Mama oder dieser aufgeblasene Pfaffe.« Trudi stürmte die Treppe des Turms hinab wie eine wilde Range, und ihre Schwestern folgten ihr auf dem Fuß. Nur Augenblicke später betraten sie die Halle, sahen, dass die Luft rein war, und verschwanden hinter der kunstvollen Verkleidung der hölzernen Treppe, die zu ihren Kammern und denen ihrer Mutter führte.
    Noch während sie die Stellen im Gitterwerk suchten, durch die sie den Saal am besten überblicken konnten, führte Karel den Prälaten herein.
    Der Mann wirkte verärgert, weil die Burgherrin nicht schon bereitstand, um ihn zu begrüßen. An ihrer Stelle eilte Uta auf ihn zu und reichte ihm einen Becher Wein. Dabei warf sie einen verdächtig langen Blick auf das Gitter unter der Treppe. Sie hatte die drei Mädchen hereinhuschen gesehen und nahm an, dass sie sich dahinter versteckt hatten.
    »Hoffentlich verrät dieses Schwatzmaul uns nicht«, flüsterte Lisa bang.
    Trudi fauchte leise. »Wenn Uta den Mund auftut oder uns durch Gesten verrät, setzt es heute Abend eine ordentliche Tracht Prügel.«
    Es war, als hätte Uta die Drohung gehört, denn sie neigte kurz den Kopf und verließ die Halle schnell wieder. Nun trat Marie gemessenen Schrittes ein. Sie trug nur ein schlichtes Gewand aus dunklem Stoff und eine schmucklose Haube, unter der ihr Gesicht so bleich wirkte wie eine frisch gekalkte Wand. Den entschlossenen Zug um ihren Mund schien der Prälat nicht zu bemerken, denn er blickte hochmütig auf sie herab und wartete, bis sie das Knie gebeugt und die Hand, die er ihr hinstreckte, geküsst hatte.
    »Mich schickt Seine Exzellenz, der Fürstbischof«, begann er, ohne auf die Begrüßungsformeln zu warten, mit denen ein Gast willkommen geheißen wurde.
    Marie blickte ihn scheinbar gleichmütig an. »Was wünscht der hohe Herr von mir?«
    »Herr Gottfried Schenk zu Limpurg drückt dir sein Bedauern über deinen Verlust aus und bietet dir seinen Schutz an.«
    »Als Fahnenlehen untersteht Kibitzstein dem Schutz des Königs«, antwortete Marie weitaus gelassener, als sie sich fühlte.
    »Kaiser Sigismund mag deinem Ehemann und dir vielleicht einmal Schutz geboten haben, doch Friedrich von der Steiermark vermag nicht einmal sich selbst

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