Die Tochter der Wanderhure
viel«, widersprach Hildegard vehement.
»Das ist richtig! Aber sie hat es nicht nur mit dem Fürstbischof zu tun, sondern auch mit dessen Kreaturen und anderen Neidhammeln. Oder glaubt ihr, Ingobert von Dieboldsheim würde sich die Gelegenheit entgehen lassen, sein verpfändetes Dorf von uns zurückzuholen, ohne einen Heller dafür zu bezahlen? Er ist ein übler Kerl, der jungen Mädchen unter die Röcke greift!«
Trudi wischte die Tränen weg, die bei der Erinnerung an den letzten Besuch auf Dieboldsheim in ihr aufzogen. Damals war ihr Vater noch wohlgemut und guter Dinge gewesen. »So wie der Dieboldsheimer werden viele unsere Lage ausnützen wollen, und ohne Hilfe steht Mama auf verlorenem Posten!«
»Der Kaiser wird uns helfen«, antwortete Hildegard darauf.
»Der König, meinst du! Aber dazu müsste Herr Friedrich wissen, was hier wirklich vor sich geht! Der Fürstbischof ist mächtig und hat viele Helfer, die jederzeit zum Hof nach Graz reisen und dort alles verdrehen können. Vielleicht sind sogar Kreaturen um den König herum, die die Briefe abfangen, die Mama schreiben wird. Ihr habt es doch selbst gehört! Mama würde nie Antwort erhalten, hat der Pfaffe behauptet und sie verspottet.«
»Pass auf, was du sagst! Mama mag es gar nicht, wenn du solche Worte aussprichst!« Hildegard zog bei diesen Worten den Kopf ein, da es sich nicht gehörte, die ältere Schwester zu tadeln.
Trudi verzieh ihr großmütig und hob die Hand, um ihre nächsten Worte zu unterstreichen. »Jemand muss zu König Friedrich reisen und ihm berichten, in welch schlimmer Gefahr wir uns befinden. Dann, aber nur dann, kann er uns helfen.«
»Mama könnte Karel oder noch besser Michi hinschicken«, schlug Lisa vor.
»Michi muss hierherkommen und Mama helfen, Karel soll Kessnach verwalten. Also können die beiden nicht weg. Ein einfacher Knecht wie Gereon aber hat noch weniger Chance als die beiden, vor den König geführt zu werden. Daher muss eine von uns reisen! Eine Jungfer auf Kibitzstein kann verlangen, vom König empfangen zu werden.« Trudis ganze Haltung ließ keinen Zweifel daran, dass sie diejenige sein wollte, die ins ferne Graz aufbrach.
»Aber das ist unmöglich!«, platzte Hildegard heraus, während Lisa zornig auffuhr. »Gib zu, du willst Kibitzstein doch nur verlassen, um Gressingen zu suchen!«
Für ein paar Augenblicke schien der erst vor kurzem beendete Streit zwischen den Schwestern wieder aufzuflammen. Trudi gab sich jedoch ungewohnt friedlich. »Junker Georg wäre eine große Unterstützung für Mama. Aber auch er ist dem Fürstbischof nicht gewachsen, denn sonst hätte der ihm nicht seine Burg abnehmen können. Nein, es gibt nur einen, der uns wirklich helfen kann, und das ist König Friedrich. Ich schwöre bei Gott, dass ich nichts anderes im Sinn habe, als ihn aufzusuchen und zu bitten, uns beizustehen.«
Sie zeigte die Zähne. »Außerdem will ich ihn um Gerechtigkeit für den Tod unseres Vaters bitten. Der Mörder hat uns mit seinem Schwur in Fuchsheim ins Gesicht gespien, doch ich bin nicht bereit, ihn ohne Strafe ziehen zu lassen.«
»Du meinst Eichenloh?« Lisa klang ein wenig zögerlich, denn ihrer Meinung nach war Otto von Henneberg der Täter.
»Eichenloh ist an allem schuld! Wäre Papa noch am Leben, würde die Würzburger Kröte es nicht wagen, uns zu bedrohen.« Hildegards Stimme klang zwar dünn, aber auch voller Zorn.
»Wie war das mit den Worten, die man nicht in den Mund nehmen soll?«, stichelte Trudi und winkte ab, als Hildegard sich entschuldigen wollte.
»Wir sind uns also einig, dass ich zum König reise. Dabei werdet ihr mir helfen müssen. Ich brauche alles Geld, das ihr mir geben könnt, und auch etwas Schmuck, den ich beim Juden eintauschen kann. Eine Reise ins Österreichische ist bestimmt nicht billig.«
Lisa seufzte. »Mama wird niemals zulassen, dass du so eine weite Reise machst.«
»Aus dem Grund darf sie nicht erfahren, was wir vorhaben. Ich werde ihr sagen, dass ich einige Wochen bei Mariele in Schweinfurt verbringen will, um dort meinen Schmerz zu vergessen. Das wird sie mir gewiss nicht abschlagen. Von Schweinfurt aus werde ich schon einen Weg finden, nach Graz weiterzureisen.« TrudisWorte klangen so überzeugend, dass ihre Schwestern nichts mehr einzuwenden wussten.
12.
T rudi rannte hinter ihrem Vater her, so schnell sie es vermochte, aber es gelang ihr nicht, ihn einzuholen. »Papa, bleib doch stehen!«, schrie sie, doch ihre Stimme trug keine fünf Schritte
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