Die Tochter der Wanderhure
einem gewissen Vermögen gekommen, doch anders als die reichen Christen zeigte er es nicht. Als Trudi eintrat, fand sie sich in einem finsteren Loch wieder, in dem sich nur Krempel stapelte, für den sie keinen Heller ausgegeben hätte. Der Händler, den sie im Schein einer Unschlittlampe an einem Tisch sitzen und wertloses Zeug sortieren sah, wirkte auch nicht ansprechender als sein Laden. Er trug einen schmierigen und, wie Trudi beim Näherkommen bemerkte, unangenehm riechenden Kaftan und hatte eine Filzmütze auf den Kopf gestülpt.
Issachar ben Schimon schien seine Aufmerksamkeit ganz auf die Gegenstände vor ihm zu richten, musterte die Eintretende jedoch unter gesenkten Lidern. Die Weibsperson verunsicherte ihn, und das gefiel ihm nicht. Ihrer Kleidung nach war sie eine Jungfer von Stand. Zwar war ihr die gleiche ängstliche Sorge anzumerken, die auch die anderen Frauen dazu trieb, heimlich etwas bei ihm zu verpfänden. Aber in ihren Augen lag ein Ausdruck, den er nicht zu deuten wusste. Obwohl sie nach seiner Einschätzung keinen Tag älter sein konnte als achtzehn, erschien sie ihm recht selbstbewusst. Solche Kunden wollten meist zu viel Geld für ihren Tand und begriffen nicht, dass auch er leben musste. Für ein Ding, das einmal einen Gulden gekostet hatte, wollten sie mindestens diesen Gulden haben, und es war schwer, ihnen das auszureden. Statt sich mit dem zufriedenzugeben, was er bot, liefen manche von ihnen zum Magistrat und schwärzten ihn dort an. Dann hatte er zu allem Überfluss auch noch die Büttel am Hals.
Eine Schweinfurterin war die Frau vor ihm, die er immer noch geflissentlich übersah, nicht, die hätte er gekannt. Ihrer Tracht nach stammte sie von einer der Burgen, von denen es im Frankenland viele gab, und solche Frauen kamen nur sehr selten zu ihm. Beinahe wünschte Issachar sich, das Mädchen würde wieder gehen, denn er rechnete mit viel Ärger und wenig Verdienst.Als Trudi das Warten zu lange dauerte, räusperte sie sich energisch. Der alte Mann rutschte ein wenig auf seinem Hocker hin und her, sah aber nicht auf. Auch ein weiteres Räuspern half nichts. Trudi dachte jedoch nicht daran, aufzugeben, sondern holte das erste Schmuckstück aus ihrer Ärmeltasche und hielt es ihm unter die Nase. »Was würdest du mir für diese Spange geben?«
Nachdem die Frage gestellt war, musste Issachar antworten. Er musterte das Schmuckstück und nahm es in die Hand, um es zu schätzen. Das Gold war echt und nicht auf ein unedleres Metall aufgetragen worden. Trotzdem machte er eine abwehrende Geste und schüttelte überdies den Kopf.
»Das ist höchstens einen Gulden wert.«
»Nur ein Gulden?« Trudi klang empört. So unerfahren, wie Issachar gehofft hatte, war sie nicht, sie wusste genau, dass ihr Vater fünf Gulden dafür ausgegeben hatte. Er hatte die Spange zuerst für ihre Mutter gekauft, sie dann aber für eine Frau ihres Alters als unpassend empfunden und ihr geschenkt.
Enttäuscht nahm sie das Schmuckstück wieder an sich und steckte es ein. »Entschuldige, dass ich dich gestört habe. Ich werde es wohl zu einem anderen Juden tragen müssen.«
Der Hinweis auf seine Konkurrenten versetzte Issachar ben Schimon einen Stich. Zwar waren sie alle Brüder eines Glaubens und beteten gemeinsam in der Synagoge, doch die Geschäfte führte jeder für sich und versuchte, erfolgreicher zu sein als die anderen.
»Drei Gulden!« Es war ein großes Zugeständnis, denn selten bot er mehr als den halben Wert.
»Gib vier«, forderte Trudi, die ihre Unsicherheit abgeschüttelt hatte.
Issachar ben Schimon schüttelte den Kopf. »Mehr als drei Gulden kann ich nicht geben! Sonst setze ich zu.«
»Dreieinhalb!« Trudi lachte und tat so, als wolle sie die Spangewieder einstecken. So wie sie jetzt hatte auch Anni gefeilscht, und sie wollte es der geschickten Wirtschafterin gleichtun, da sie jeden Pfennig brauchte, den sie bei diesem Handel herausschlagen konnte.
Der Jude hielt die Spange fest und überschlug noch einmal ihren Wert. Gewiss würde er sie für viereinhalb Gulden verkaufen können, sagte er sich und nickte schließlich mit widerwilliger Anerkennung. »Ich gebe Euch drei Gulden und vier Schillinge dafür. Wenn Euch das nicht genug ist, könnt Ihr gehen. Ich sage Euch aber, kein anderer Händler wird Euch so viel geben wie ich.«
Trudi begriff, dass sie nicht mehr würde herausholen können. »Ich bin einverstanden.«
Als Issachar ben Schimon ihr die Münzen hingezählt hatte, wies sie jedoch
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