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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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weit. Dabei wusste sie genau, dass gleich etwas Schreckliches geschehen würde. Noch einmal rief sie, und diesmal schien ihr Vater sie endlich zu hören, denn er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Im selben Augenblick tauchte ein dunkler Schatten neben ihm auf. Stahl blitzte in der Sonne, und dann sank Michel stöhnend zu Boden. Als Trudi ihn erreichte, war er bereits tot. Außer sich vor Schmerz und Zorn, packte sie die Klinge, die ihn getroffen hatte, und wollte damit auf seinen Mörder losgehen. Doch sie befand sich auf einmal ganz allein im Fuchsheimer Kräutergarten und hörte nur noch aus weiter Ferne ein höhnisches Lachen. Mit diesem Laut im Ohr wachte Trudi auf. Ihr Herz klopfte bis in den Hals, und sie war in Schweiß gebadet. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass sie sich nicht an dem Platz befand, wo ihr Vater ums Leben gekommen war, sondern in der Kammer, die Hiltruds Tochter Mariele ihr zur Verfügung gestellt hatte. Neben ihr lag Uta auf einem Strohsack und schlief tief und fest. Marie hatte sie ihr als Leibmagd mitgegeben und dazu noch Lampert, der in einer Kammer bei den Knechten des Tessler-Hauses schlafen musste.
    Marie hatte es ihrem Patenkind Mariele nicht zumuten wollen, die Besucherin mehrere Wochen lang durch ihr eigenes Gesinde bedienen zu lassen, und Trudi war froh um die bekannten Gesichter, denn sie hätte sonst noch mehr Schwierigkeiten vor sich gesehen, ihren Plan in die Tat umzusetzen.
    Im Augenblick jedoch beschäftigte sie nur der Alptraum, der sie eben heimgesucht hatte. Auf diese Weise hatte sie den Mord an ihrem Vater schon mehrfach miterlebt, aber noch nie so intensiv wie in dieser Nacht. Sie glaubte immer noch das von dem Dolch tropfende Blut auf ihren Händen zu sehen, und der Hass auf den ehrlosen Schuft, der diese Tat begangen hatte, drohte sie wie das Wasser eines schwarzen, grundlosen Moores zu verschlingen.
    Mit jedem dieser Träume war ihr die eigene Schuld mehr und mehr bewusst geworden. Ihr Vater würde noch leben, wenn sie nicht in Dettelbach und auf Fuchsheim mit Eichenloh aneinandergeraten wäre oder Otto von Henneberg nicht das Gesicht zerschnitten hätte.
    »Der Mörder hätte mich töten sollen, dann wäre die Richtige gestorben«, sagte sie sich nicht zum ersten Mal und sank mit einem Weinkrampf zurück.
    »Heult Ihr schon wieder? Damit macht Ihr das Ganze auch nicht ungeschehen«, murmelte Uta schlaftrunken.
    Das ging Trudi zu weit. Am liebsten wäre sie aufgestanden, um Uta für diese rohen Worte zu züchtigen. Doch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie sich vorgenommen hatte, ihr Temperament im Zaum zu halten. Bei Eichenloh und Henneberg hatte sie es nicht getan, und dafür war sie schwer bestraft worden.
    Ganz allein sie war die Ursache, dass Kibitzstein nun ohne Herr war und ihre Mutter sich mit den Begehrlichkeiten des Fürstbischofs und anderer Nachbarn herumschlagen musste. In Trudis Alpträume mischte sich auch die Furcht, sie könne aus Graz zurückkehren und einen fremden Verwalter oder Besitzer auf Kibitzstein vorfinden, während Mutter und Schwestern tot oder in einem Kloster eingesperrt waren und ihr Bruder als fahrender Ritter durch die Lande zog. In dem Fall würde auch Georg von Gressingen nichts mehr von ihr wissen wollen. Da er ebenfalls heimatlos war, konnte er kein mittelloses Mädchen heiraten.
    »Geht es Euch wieder besser? Soll ich Euch einen Krug Bier ausder Küche holen? Danach könnt Ihr gewiss schlafen.« Ohne auf eine Anweisung zu warten, erhob Uta sich und verließ die Kammer. Trudi stand ebenfalls auf, zog ihr Hemd aus und suchte im Schein des Mondes nach einem Tuch, mit dem sie sich trockenreiben konnte. Daher stand sie nackt im Raum, als die Magd zurückkehrte.
    Uta schimpfte wieder. »Warum habt Ihr nicht gesagt, dass Ihr Euch den Schweiß abwaschen wollt. Ich hätte Euch doch Wasser mitbringen können.«
    »Es geht schon.« Trudi rieb sich trocken und wollte wieder in ihr Hemd schlüpfen. Doch das klebte vor Nässe. Sie warf es zusammen mit dem Lappen in eine Ecke und nahm den Bierkrug entgegen, den Uta ihr gefüllt hatte. Zunächst wollte sie nur ein paar kleine Schlucke trinken, um der Magd zu zeigen, dass diese den Weg nicht umsonst gemacht hatte. Doch dann merkte sie, wie durstig sie war, und hörte erst auf zu trinken, als der Krug zu drei Vierteln leer war. Danach stieß sie hörbar auf und reichte Uta das Gefäß.
    »Wenn du magst, kannst du es austrinken. Bis morgen früh ist es schal.«
    Das ließ die Magd sich

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