Die Tochter der Wanderhure
nicht zweimal sagen, denn sie hatte den Krug nicht ohne Grund bis an den Rand gefüllt. Es war zwar weniger darin geblieben, als sie gehofft hatte, dennoch war sie nicht unzufrieden. Immerhin verdankte sie Trudi, dass sie in diese interessante Stadt hatte mitkommen dürfen. Schweinfurt war schon etwas anderes als die Marktorte Volkach, Dettelbach, Gerolzhofen oder Prichsenstadt, die sie von Zeit zu Zeit besuchen durfte. Hier konnte man alles kaufen, was das Herz begehrte. Uta besaß zwar kein Geld, aber es war schon aufregend genug, die wundervollen Sachen anzusehen. Außerdem war ihre Herrin so gutmütig, sie von einer Bratwurst, die sie sich auf dem Markt gekauft hatte, abbeißen zu lassen.
Genüsslich leerte Uta den Bierkrug. Zwar mochte sie Wein lieber,doch dafür hätte sie in den Keller gehen müssen, und der war aus weiser Voraussicht abgeschlossen. Marieles Ehemann Anton Tessler wollte nicht, dass seine Knechte sich heimlich an den Weinfässern vergriffen. Bier aber galt als Durststiller und Nahrung zugleich, und deswegen stand immer ein Fass davon aufgebockt in der Küche.
»Wenn du fertig bist, kannst du mir das Bett frisch beziehen. So ist es mir zu klamm!« Trudis Bitte beendete Utas Überlegungen, und sie stellte den Krug rasch ab.
Da Trudi nun fröstelte, hüllte sie sich in die Zudecke von Utas Bett, während sie zusah, wie die Magd ihre Lagerstatt herrichtete.
»Soll ich Euch ein frisches Hemd heraussuchen?«, fragte Uta.
»Nein, danke, ich schlafe ohne«, gab Trudi zurück.
Uta schüttelte missbilligend den Kopf. »Das ist aber sehr ungehörig. Was sollen Frau Marieles Mägde sagen, wenn sie morgen früh ins Zimmer kommen und Ihr nackt aus dem Bett steigt!«
»Nichts, denn sie haben gewiss kein Hemd für nachts und schlafen nur im Winter in ihren Kleidern. Nur weil ich noch Jungfer bin … Also gut, du Quälgeist. Such mir eins heraus.«
Trudi wartete, bis Uta ein Hemd gefunden hatte, ließ sich von ihr hineinhelfen und schlüpfte dann wieder ins Bett. Während Uta sich ebenfalls wieder hinlegte, sah Trudi sich erneut ihren quälenden Gedanken ausgeliefert. Niemals, so glaubte sie, würde sie verwinden können, der Anlass für den Mord an ihrem Vater gewesen zu sein. Das konnte auch ihrer Mutter und den Schwestern auf die Dauer nicht verborgen bleiben. Sie fürchtete schon den Tag, an dem ihre Schuld offenbar wurde, denn von da an würde man sie wie eine Aussätzige behandeln. Wenn überdies noch Kibitzstein durch die Umtriebe des Fürstbischofs verlorenging, würde ihre Familie sie gewiss hassen und von sich stoßen. So schlimm wie das, was sie dann würde durchmachen müssen, konnte nicht einmal das Fegefeuer sein.
Wenn sie sich die Achtung ihrer Lieben erhalten wollte, gab es nur einen Weg, und der führte nach Graz zu König Friedrich. Nur er allein war in der Lage, Kibitzstein den Schutz zu geben, den sie so dringend benötigten. An diesen Gedanken klammerte Trudi sich noch im Einschlafen, und als sie am Morgen erwachte, wusste sie, wie sie vorgehen musste.
13.
T rudi konnte Mariele nicht einfach sagen, sie wolle nach Österreich reisen, um den König aufzusuchen. Ihre Freundin hätte sie umgehend in einen Reisewagen gesetzt und unter scharfer Bewachung nach Kibitzstein zurückbringen lassen. Daher musste sie die Sache so geschickt anfangen, dass sie nicht den geringsten Verdacht erregte. Auch Uta und Lampert, die sie mit auf die Reise nehmen wollte, durften von ihren wahren Plänen erst erfahren, wenn sie bereits unterwegs waren.
Zunächst musste sie die Frage klären, wie sie die Reise bezahlen sollte. Ihre Mutter hatte ihr eine kleine Summe für Einkäufe mitgegeben, und die Schwestern hatten jeden Heller geopfert, den sie besaßen. Auch hatten die beiden ihr alle Schmuckstücke überlassen bis auf das jeweils letzte, welches sie von ihrem Vater erhalten hatten. Allerdings war der kleine Schatz nicht besonders viel wert. Daher klopfte Trudis Herz vor Aufregung in der Kehle, als sie am nächsten Tag den Juden aufsuchte, dessen Laden sie ein paar Tage zuvor bei einem Spaziergang durch die Stadt entdeckt hatte. Auf dem Hinweg stellte sie sich in einem Anfall von Mutlosigkeit vor, der Mann würde sie hohnlachend aus dem Haus jagen, anstatt ihr vollwertige Gulden in die Hand zu drücken, deren Ränder niemand abgezwickt hatte.
Das Geschäft war klein und befand sich in einer übel beleumdeten Gasse, in der sämtliche Juden der Stadt lebten. Issachar benSchimon war durch Pfandhandel zu
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