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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ihrer Jugend. Mariele überragte Trudi, die selbst nicht gerade klein war, um einen halben Kopf und war kräftig gebaut, aber nicht dick. Ihr Leib wölbte sich stark vor und zeigte an, dass sie ihrem Gemahl in Kürze ein drittes Kind schenkenwürde. Dennoch wirkten ihre Gestalt und ihre Bewegungen harmonisch.
    Mariele beobachtete ihren Gast und fand, dass Trudi an diesem Tag wie gehetzt wirkte, und nun fiel ihr auf, wie dünn das Mädchen geworden war. Das wunderte sie nicht, denn sie wusste, mit welcher Liebe das Mädchen an seinem Vater gehangen hatte. Selbst jetzt gönnte es sich keine Ruhe, sondern besuchte reihum die Schweinfurter Kirchen, um für Michels Seelenheil zu beten. Dabei war Trudi jung und sollte sich mehr für die Auslagen der Schweinfurter Tuchhändler interessieren als für Totengebete, so lieb ihr der Verstorbene auch gewesen war.
    »Wie steht es eigentlich mit deiner Nadelfertigkeit? Du könntest mir helfen, die Ausstattung für das Kleine, das ich erwarte, zu vervollständigen.« Es war ein Angebot, mit dem sie ihre Freundin etwas stärker ans Haus binden wollte, um mehr mit ihr reden zu können.
    Trudi schüttelte vehement den Kopf. Wenn sie Mariele half, würde sie noch mehr Zeit verlieren und womöglich nicht mehr reisen können. Es war schon spät im Jahr, und so blieb ihr nicht mehr viel Zeit, wenn sie nicht in den tiefsten Winter geraten wollte. Außerdem würde die Mutter sie zum Weihnachtsfest nach Kibitzstein zurückholen, und dann fand sie gewiss keine Gelegenheit mehr, zu König Friedrich zu reisen. Trudi wagte sich gar nicht vorzustellen, wie enttäuscht ihre Schwestern in dem Fall wären. Schließlich hatten Lisa und Hildegard ihr das Geld und den Schmuck nur für diesen Zweck anvertraut. Verzweifelt überlegte sie sich eine passende Ausrede, und als sie ihr einfiel, musste sie an sich halten, um keinen Luftsprung vor Freude zu machen.
    »Ich würde ja gerne bei dir bleiben, Mariele, auch wenn Hildegard von uns diejenige ist, die am besten mit Nadel und Faden umgehen kann. Mir fehlt die dazu notwendige Geduld, sagt Mama immer. Doch ich habe gelobt, für Papa zu beten, daer ohne den Trost der heiligen Kirche in die Ewigkeit eingegangen ist. Zu dem Zweck aber muss ich, wie ich auch schon mit Mama besprochen habe, mehrere heilige Orte aufsuchen und dort meine Gebete sprechen. Ein Gebet in einer Wallfahrtskirche ist nun einmal viel wirksamer als in einem einfachen Gotteshaus. Aus diesem Grund möchte ich in zwei oder drei Tagen aufbrechen.«
    »Eine Wallfahrt für das Seelenheil deines Vaters ist kein schlechter Gedanke. Am liebsten würde ich mit dir kommen!«
    Mariele jagte Trudi mit dieser Bemerkung einen Schrecken ein. Käme die Freundin mit, so würde sie tatsächlich wallfahren müssen, statt sich auf den Weg nach Österreich begeben zu können. Doch da strich Mariele sinnend über ihren gewölbten Leib und seufzte. »Leider macht mein Zustand es mir unmöglich, denn ich will ja nicht unterwegs oder gar in einer geweihten Basilika niederkommen. Aber sag, wie willst du deine Wallfahrt antreten?
    Du hast doch keine Begleitung dafür!«
    »Ich nehme Uta und Lampert mit.«
    »Eine Magd und ein Knecht schützen eine Jungfer von Stand nicht ausreichend. Deine Mutter hätte die beiden Kriegsknechte, die dich hergebracht haben, ruhig bei uns lassen können. Die hätten uns schon nicht die Haare vom Kopf gefressen. Ich glaube zwar nicht, dass du sie als Schutz vor Räubern benötigst, denn du wirst dich sicher größeren Pilgergruppen anschließen. Aber eine junge Dame ohne männliche Begleitung ist unterwegs immer Belästigungen ausgesetzt.«
    Marieles Ausführungen klangen vernünftig, und für einen Augenblick wusste Trudi nicht, was sie ihr antworten sollte. Da ihre Mutter von ihrer angeblichen Absicht, eine Wallfahrt zu unternehmen, nichts gewusst haben konnte, waren ihre Reisigen weisungsgemäß nach Kibitzstein zurückgekehrt. Zu ihrem Glück ging ihre Gastgeberin nicht weiter auf diesen Umstand ein, sondern überlegte angestrengt weiter.
    »Ich werde mit meinem Mann sprechen. Er wird dir ein paar seiner Spießknechte mitgeben. Aber du musst bis zum Christfest wieder zurück sein! Anton will direkt nach dem Feiertag nach Frankfurt aufbrechen, und auf der Reise benötigt er jeden Bewaffneten.«
    »So lange werde ich nicht unterwegs sein. Ich will nur in den Klöstern von Schwarzach beten und dann zum Grab der heiligen Kunigunde nach Bamberg pilgern«, beruhigte Trudi ihre Freundin.

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