Die Tochter der Wanderhure
mit den frommen Damen von Hilgertshausen kommen sollte.«
»Du möchtest Trudi helfen, ihr Gelübde noch vor dem Wintereinbruch zu erfüllen, und weißt auch schon, wie.«
Mariele lehnte ihren Kopf zurück, so dass ihre Haube an seiner Nasenspitze rieb. »Ich dachte, du könntest ihr zwei deiner Spießknechte mitgeben. Bis zum Christfest sind Trudi und die Leute längst zurück.«
Anton Tessler brummte ein wenig vor sich hin und lachte dann auf. »Nun gut, mein Schatz, das könnte gehen. Aber das Mädchen darf sich nicht verspäten. In einem Monat müssen die Männer wieder zurück sein.«
»Das sind sie gewiss«, versprach Mariele und fand, dass sie den besten Ehemann besaß, den man sich wünschen konnte.
15.
N och nie zuvor in ihrem Leben hatte Trudi sich so geschämt wie an diesem Tag. Aber sie musste die beiden freundlichen Menschen täuschen. Aus Angst, Anton Tessler würde ihr Lügengespinst noch im letzten Augenblick durchschauen, wagte sie kaum, ihm ins Gesicht zu sehen, und als sie Mariele umarmte, schluchzte sie, als stünde nicht eine Trennung für kurze Zeit bevor, sondern ein Abschied für immer.
»Jetzt komm, Kleines! Du bist ja ganz aufgelöst. Gewiss werden deine Gebete die Kraft haben, deinem Vater den Weg ins Himmelreich zu öffnen.« Mariele zweifelte keinen Augenblick an Trudis Absicht, eine Wallfahrt zu unternehmen, und ihr Mann, der seine Geschäftspartner sonst genau einzuordnen wusste, ließ sich ebenfalls täuschen.
Er tätschelte Trudis Wange und nickte ihr begütigend zu. »Hast du genug Geld dabei, um reichlich Almosen spenden zu können? Wenn nicht, gebe ich dir noch etwas mit. Deine Mutter kann es mir später zurückgeben.«
Für Trudi war dieses Angebot fast zu viel, und sie schluchzte erneut auf. Tessler sah dies als Zugeständnis an, dass Trudi doch nicht so viel Geld von ihrer Mutter erhalten hatte, wie sie gerne spenden würde, und zählte ihr etliche blanke Gulden aus seinem Geldbeutel in die Hand.
»Einen schriftlichen Vertrag brauchen wir wohl nicht zu schließen«, sagte er gutgelaunt.
Trudis Mundwinkel zuckten schmerzhaft, und sie umarmte den Mann. »Ihr seid alle so gut zu mir. Dabei verdiene ich das gar nicht!«
»Das zu bestimmen, überlasse lieber uns.« Mariele versetzte Trudi einen leichten Nasenstüber und wies dann auf den Hof des Patriziergebäudes. »Deine Begleitung wartet. Denk daran: Du musst vor den Feiertagen wieder hier sein!«
»Aber ja! Das tue ich!« Trudi nickte beinahe zu eifrig, aber ihre Stimme hörte sich sogar in ihren eigenen Ohren falsch und kratzig an.
Mariele glaubte zu verstehen, dass Trudi ihre Wallfahrt bis zum letzten Tag ausdehnen würde. Deswegen gab sie ihrem Mann einen Wink, seinen Männern einzuschärfen, dass sie zu der verabredeten Zeit wieder in Schweinfurt sein mussten. Wenn Trudi bis dahin nicht genug heilige Orte besucht hatte, konnte sie die Wallfahrt im nächsten Frühjahr fortsetzen.
»Fahr mit Gott!« Mariele hauchte einen Kuss auf Trudis Stirn und schob sie zur Tür hinaus. »Es ist nicht so, dass ich dich loswerden will, aber ich möchte, dass du so bald wie möglich zu uns zurückkehrst«, sagte sie, während sie dem Mädchen ins Freie folgte.
Zu Uta und Lampert hatten sich zwei kräftige Männer gesellt, die gut bewaffnet waren, solide Panzerung trugen und sogar die teuren eisernen Hüte besaßen. Während die Männer ebenso geduldig warteten wie ihre temperamentlosen, aber ausdauernden Rosse, hockte Uta wie ein Häufchen Elend seitlich auf dem Lastpferd, an dessen Packsattel rechts und links je eine große Kiste befestigt war. Sie klammerte sich mit einer Hand an das hölzerne Sattelkreuz und hatte die andere unter den Schweifriemen des Pferdes geschoben. Dennoch befürchtete sie, bei der ersten Bewegung des großen, schläfrig wirkenden Gauls hinabzufallen, und sehnte sich nach dem zweirädrigen Karren zurück, auf dem sie auf der Herreise ihren Worten zufolge so durchgeschüttelt worden war, dass ihre Rückseite nur aus blauen Flecken bestanden hatte.
Lampert hielt den Zügel ihres Pferdes in der Hand und musstenoch sein eigenes Ross lenken. Auch er war es nicht gewohnt, zu reiten, aber er schien fest entschlossen, der beiden dickköpfigen Gäule Herr zu werden.
Das einzig lebhafte Tier der Gruppe war für Trudi bestimmt. Es handelte sich um eine Stute namens Wirbelwind, die ihr Vater ihr zu ihrem vierzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Das Tier war ein Nachkomme der Stute, die Marie einst von Kaiser
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