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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Zehrgeld zu bitten, damit wir nach Hause reiten können, und Euch Gottes Segen anzuempfehlen!«
    Die Forderung nach Geld kam Trudi ungelegen, denn sie hatte etliche Gulden in den Kirchen gespendet und daher auf ihrer Reise schon mehr verbraucht, als sie berechnet hatte. Dennoch war sie weniger denn je bereit, ihr Vorhaben aufzugeben.
    Ohne ein Wort zu sagen, nestelte sie ihren Geldbeutel los und zählte dem Mann einige Münzen in die Hand. Inzwischen wusste sie, was Übernachtung und Essen kosteten, und konnte daher die Summe, die die beiden Männer brauchen würden, fast auf Heller und Pfennig nennen. Sie legte noch ein paar Münzen als Trinkgeld dazu und hielt es ihm hin.
    »Hier, das wird wohl reichen!«
    Der Knecht griff danach und steckte es mit unzufriedener Miene ein, wagte aber nicht, sich zu beschweren. Stattdessen stellte er eine andere Forderung. »Wir bräuchten noch einen Brief vonEuch, in dem Ihr unserem Herrn schreibt, dass Ihr uns von unserer Pflicht, Euch zu begleiten, entbunden habt.«
    Dem Waffenknecht war im letzten Augenblick eingefallen, dass er sich auf diese Weise aus der Zwickmühle befreien konnte, in die ihn das Edelfräulein gebracht hatte. Immerhin war Trudi Gast im Hause Tessler gewesen, und da hätte es nicht gut ausgesehen, wenn er und sein Kamerad allein und ohne einen Beweis, wo sie abgeblieben sei, nach Hause zurückkehren würden.
    Trudi nickte und winkte Uta heran. »Frage den Wirt, ob er Papier, Tinte und Feder besitzt. Wenn nicht, dann geh zum Pfarrer und hole es dort.«
    »Wollt Ihr wirklich allein weiterreisen?« Uta starrte ihre Herrin entsetzt an.
    Noch nie war sie oder irgendein anderer aus ihrer Sippe so weit gereist, und sie sehnte sich mit jeder Faser ihres Herzens zurück nach Kibitzstein. Ihr wäre sogar der heimatliche Hof lieber gewesen als diese fremde Umgebung. Hier lebten ganz andere Menschen, deren Sprache sie kaum noch verstehen konnte. Die Speisen schmeckten nicht mehr so, wie sie es gewohnt war, und der Wein war so sauer, dass sie ihn zu Hause nur als Essig verwendet hätte.
    Als Trudi nicht antwortete, wandte sie sich an Lampert. »Sag doch du etwas!«
    Der Knecht zog die Schultern hoch. Er war gewohnt, den Befehlen der Herrschaft zu gehorchen, und wenn Trudi in dieses Altötting reiten wollte, würde er mitgehen, ganz gleich, wie wenig es ihm behagte.
    »Du bist ein Feigling«, schnaubte Uta, als er ihr nicht sofort beisprang, und stürmte zur Tür hinaus.
    »Vergiss Papier und Tinte nicht!«, rief Trudi hinter ihr her. Obwohl Uta ihr recht gut diente, gingen ihr die Jeremiaden der Magd gegen den Strich. Uta hatte bereits zu jammern be gonnen, als sie drei Tagesreisen von Schweinfurt entfernt gewesen waren,und seitdem nicht mehr aufgehört. Jeden Morgen und jeden Abend malte sie die Gefahren an die Wand, die während der nächsten Etappe auf sie warten mochten, und beschrieb alle Katastrophen, von denen sie je in ihrem Leben erfahren hatte.
    Trudi überlegte, ob sie Uta mit Tesslers Waffenknechten nach Hause schicken sollte, doch zum einen brauchte sie dringend eine Magd, die sie bediente, wie es der Sitte entsprach, und zum anderen wäre es unschicklich gewesen, mit einem einzigen Knecht weiterzuziehen. Auch wollte sie Uta nicht der Gefahr aussetzen, unterwegs von Tesslers Männern zu körperlichen Diensten gezwungen zu werden.
    Für einige Augenblicke galten ihre Gedanken der Mutter und den Geschwistern. Sie hatte inzwischen schon zu viel Zeit verloren und musste sich beeilen, um noch etwas für sie bewirken zu können. Der Gedanke, ihren Lieben könnte etwas geschehen, nur weil sie zu langsam gewesen war, brannte wie Feuer in ihr. Am liebsten hätte sie sich auf ihre Stute geschwungen und wäre erst in Graz wieder abgestiegen. Doch dazu hätte es eines Wunders bedurft, und die waren selten.
    Uta musste tatsächlich bis zum Pfarrhof laufen, um das verlangte Schreibzeug zu holen. Der Hinweis, eine hochgestellte Dame benötige Papier und Feder für einen Brief, brachte den Pfarrer des kleinen Ortes dazu, das Geforderte persönlich zum Gasthof zu bringen und dem Edelfräulein seine Dienste als Schreiber anzubieten. Trudi begriff, dass der Mann, der als Hilfspfarrer die Pfründe eines höhergestellten Geistlichen verwaltete, sich ein gutes Trinkgeld erhoffte. Wahrscheinlich lebte er hauptsächlich von solchen Diensten, denn er war so mager, als bekäme er nicht genug zu essen.
    Trudi tat der Mann leid, aber sie wollte den Brief selbst schreiben. Mariele und

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