Die Tochter der Wanderhure
der ihr eilfertig gefolgt war. »Könnt Ihr mir eine sichere und saubere Herberge nennen, ehrwürdiger Bruder?«
Der Mann wies auf ein größeres Gebäude am Rand des Platzes.
»Dort werdet Ihr eine gute Unterkunft finden. Die Wirtsleute sind ehrlich und reinlich, und bei ihnen kehren sogar hohe Herrschaften ein.«
Dies hörte sich nicht an, als wäre es ein billiger Gasthof. Trudiseufzte, denn ihr Geld nahm schneller ab, als es ihr lieb sein konnte. Sie würde rascher reisen müssen als bisher, wenn sie unterwegs nicht in einen leeren Beutel blicken wollte. Hinzu kam, dass sie jemanden benötigte, der sie und ihre beiden Begleiter vor Räubern und Dieben schützen konnte.
Der Mönch sah, dass die junge Dame an anderes dachte, und wollte sich abwenden. Da hielt Trudis Ruf ihn auf. »Verzeiht, ehrwürdiger Bruder, doch ich habe noch eine Bitte an Euch. Mir sind meine beiden Trabanten abhandengekommen, so dass ich ohne bewaffneten Schutz reisen muss. Kennt Ihr nicht ein paar edle Ritter, die sich meiner annehmen und mich an mein Ziel geleiten würden? Ich wäre Euch sehr dankbar.«
Der Mönch rieb sich über seine Tonsur. »Wohin führt Euch Eure Reise, Herrin?«
»Nach Graz zu König Friedrich.«
Während Lampert in sich hineinlächelte, weil er richtig geraten hatte, stieß Uta einen entsetzten Schrei aus. »Ihr wollt noch weiter in die Ferne reisen, Jungfer? Aber das könnt Ihr doch nicht machen!«
Lampert versetzte ihr einen Stoß. »Halt den Mund! Du hast wohl vergessen, was du bist: nämlich eine Magd, die gehorcht, wenn die Herrin ihr etwas befiehlt. Oder willst du Schläge bekommen?«
Trudi hatte Uta zwar noch nie geschlagen, ihr unterwegs aber schon mehrfach mit dem Stock gedroht. Daher fürchtete Uta, doch Hiebe zu bekommen, wenn sie nicht den Mund hielt, und sah Lampert mit dem Blick eines waidwunden Rehs an.
Währenddessen hatte der Mönch nachgedacht und schüttelte nun bedauernd den Kopf. »Es tut mir leid, Herrin, aber ich weiß leider niemanden, der Euch bis Graz bringen kann. Der eine oder andere wäre gewiss bereit, Euch ein Stück Weges zu geleiten, aber bei diesem Wetter reitet niemand mehr bis dorthin.«
Diese Auskunft war beunruhigend, doch Trudi war nicht bereit,den Spieß ins Korn zu werfen. Sie nestelte ihren Beutel vom Gürtel, holte eine Münze heraus und drückte sie dem Mönch in die Hand. »Hier, nehmt diese kleine Spende. Wenn Ihr von einem Herrn erfahrt, der mich zu König Friedrich begleiten kann, so lasst es mich bitte wissen.«
Der Mönch ergriff die Münze und deutete eine Verbeugung an.
»Ich werde dieses Geld zu den Spenden für die Kapelle legen. Doch was das Geleit nach Österreich angeht, so bedauere ich, dass Ihr nicht zwei Tage früher hier angekommen seid. An jenem Morgen ist eine größere Schar aufgebrochen, die nach Graz reisen wollte. Deren Anführer hätte Euch gewiss den Schutz angedeihen lassen, dessen Ihr bedürftig seid.«
»Das ist wirklich schade.« Trudi seufzte und fragte sich, ob es ihr gelingen könnte, diese fremden Reiter einzuholen. Doch selbst wenn sie unterwegs die Pferde bis zur Erschöpfung antreiben ließ, würden sie mehrere Tage ohne Schutz durch ein fremdes Land reiten müssen. Da war es besser, hier jemanden zu suchen, dem sie sich anschließen konnte.
5.
D er Gasthof war gut, aber auch sehr teuer. Mehr als eine Nacht, schwor Trudi sich, würde sie hier nicht verbringen. Uta aber hoffte, länger bleiben zu können, denn die Herberge erschien ihr wie ein Vorgeschmack auf das Paradies. Die Wirtsmägde nahmen ihr die Arbeit ab, und während ihre Sachen zum Trocknen aufgehängt wurden, durfte sie ihre klammen Glieder an einem Kachelofen wärmen. Da sie nackt hätte dastehen müssen, reichte die Wirtin ihr eigenhändig eine Decke und hielt einen Schwatz mit ihr. Dabei drehte sich das Gespräch hauptsächlich um Utas junge Herrin. Auch wenn beide Frauen Schwierigkeiten hatten, den Dialekt der anderen zu verstehen, so war Uta doch froh umjemanden, der Verständnis für sie zeigte. Daher merkte sie nicht, wie sie ausgehorcht wurde. Die Wirtin erfuhr alles über Kibitzstein und vernahm auch, dass Trudi gegen den Willen der Mutter zu einer langen, beschwerlichen Reise aufgebrochen war.
Während sich die Altöttingerin nicht genug wundern konnte, dass ein junges Ding gleichermaßen kühn und unbedacht sein konnte, achteten weder Uta noch sie auf zwei Männer, die auf der anderen Seite des Kachelofens auf der Bank saßen und ihr Bier tranken.
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