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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Kapelle war klein und von einem fremdartig wirkenden, achteckigen Grundriss. Sie stand inmitten einer freien Fläche, die als Markt benutzt wurde. Auch an diesem Tag boten die Bauern der Umgebung hier ihre Erzeugnisse an, und die Wallfahrer mussten sich ihren Weg zwischen Schweinen, Hühnerkäfigen und dem letzten Herbstgemüse suchen. Wirbelwind wollte nach Krautbüscheln und Rüben schnappen, doch Trudi hielt sie am kurzen Zügel und verhinderte, dass das Tier etwas naschte.
    Lampert hatte jedoch weniger Glück, denn er hatte auf zwei Pferde achtzugeben, und Uta machte sich einen Spaß daraus, rasch eine Steckrübe zu stibitzen und einem der beiden Gäule ins Maul zu stecken. Während das Tier zufrieden kaute, fuhr die Bäuerin, die die Rüben verkaufte, zornig auf und überschüttete Lampert mit einem Wust von Beschimpfungen, von denen er allerdings nur die Hälfte verstand.
    Schließlich zügelte Trudi ihr Pferd und kehrte zu dem Gemüsekarren zurück. »Man sollte dich auspeitschen, so mit meinem Knecht zu sprechen. Es geht doch nur um eine jämmerliche Frucht.«
    Die Bäuerin dachte jedoch nicht daran, klein beizugeben. »Der Gaul hat die Rübe von meinem Karren gestohlen. Du musst sie bezahlen.« In ihrer Wut achtete sie nicht darauf, Trudi wie eine Dame von Stand anzureden.
    Lampert wollte sie deswegen zur Rede stellen, aber Trudi winkte ihm, zu schweigen. »Das Weib ist den Atem nicht wert, den du verschwendest. Hier, da hast du Geld. Es ist viel mehr wert als diese eine Rübe.« Damit warf Trudi der Frau eine Münze zu.
    Diese fing sie auf und betrachtete sie misstrauisch. »Das ist fremdes Geld und hier nichts wert«, behauptete sie.
    Jetzt juckte es Trudi doch in den Fingern, ihr einen Hieb mit der Reitpeitsche überzuziehen. Da trat ein Mönch hinzu und mischte sich in das Gespräch ein.
    »Kann ich Euch helfen, Herrin?«, fragte er.
    Trudi nickte. »Dieses Bauernweib regt sich auf, weil eines meiner Pferde eine ihrer Rüben gefressen hat. Ich wollte ihr Geld geben, doch sie behauptet, es würde hier nicht gelten.«
    Der Mönch entwand der Bäuerin die Münze, musterte sie kurz und drohte der Frau mit der Faust. »Das ist ein guter Pfennig und mehr wert als dein ganzes Gemüse. Wenn du die Dame betrügen willst, werde ich zum Marktaufseher gehen. Der wird dir eine Strafe auferlegen und dich für die nächste Zeit vom Markt ausschließen!«
    Es war fast zum Lachen, wie rasch die Frau einknickte. Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie hob die Arme flehend zu Trudi empor. »Gnade, Herrin! Ich wollte Euch wirklich nicht betrügen. Doch ich kenne die Geldstücke nicht so gut wie dieser fromme Mann hier und wusste daher nicht um ihren Wert. Bitte lasst nicht zu, dass er mich dem Marktrichter meldet. Wie soll ich meine Kinder ernähren, wenn ich mein Gemüse nicht mehr in die Stadt bringen darf?«
    Ihr Jammern rührte Trudi, und sie wandte sich mit einer besänftigenden Handbewegung an den Mönch. »Lasst das Weib in Frieden, frommer Bruder. Es soll meinem Knecht noch ein paar Rüben für die Pferde geben und ein Vaterunser beten. Dann sei ihm verziehen.«
    »Ihr seid sehr nachsichtig, Herrin.« Der Mönch machte keinen Hehl daraus, dass er die Bäuerin härter bestraft hätte sehen wollen, und befahl ihr, Lampert noch einige Steckrüben zu reichen. Als Trudi wieder anritt und der Knecht und Uta ihr folgten, blieb er für einen Augenblick zurück und wandte sich noch einmal an die Bauersfrau.
    »Du wirst das Geldstück in den Opferstock werfen. Wage abernicht, ein falsches hineinzulegen. Ich kenne die Münze und finde heraus, wenn du statt ihrer eine geringere spendest.«
    Die Bäuerin sagte sich, dass die fremde Dame gnädiger mit ihr verfahren war als der einheimische Mönch, wagte ihm aber nicht zu widersprechen. Seufzend beugte sie das Knie vor dem frommen Mann und reichte ihm die Münze.
    »Hier, legt Ihr sie in den Opferstock. Ich vergesse es sonst, und dann bestraft Ihr mich deswegen, obwohl ich das Geld gewiss nicht aus Absicht behalten hätte.«
    Der Mönch nahm die Münze entgegen und steckte sie in den Beutel, den er an einem Strick um seine Taille hängen hatte. Dann schlug er das Kreuz über die Bäuerin, die sichtlich der Münze nachtrauerte, und eilte Trudi nach, die als Fremde dringend seiner Führung bedürftig war.
    Er holte sie an der Pforte der Kapelle ein und vermochte ihr gerade noch die Tür zu öffnen, damit sie eintreten konnte. Innen war kaum Platz, denn etliche Menschen knieten

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