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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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vor der aus Lindenholz geschnitzten Madonnenfigur, die, wie der Mönch leise erklärte, bereits über hundert Jahre an dieser Stelle stand.
    »Seht sie Euch an, Herrin, dann erkennt Ihr die Kraft, die in ihr ruht. Noch begnügt die Himmelsherrin sich damit, unsere Gebete anzuhören und im Stillen zu wirken. Doch ich bin mir sicher, dass sich das erste große sichtbare Wunder, welches sie an dieser Stelle bewirken wird, noch zu meinen Lebzeiten ereignet!«
    Mit diesen Worten kniete der Mönch nieder und küsste den Boden vor der Statue, die in Trudis Augen zwar wunderschön gearbeitet war, aber durch ihre geringe Größe nicht gerade imposant wirkte. Dennoch flehte sie die Königin des Himmels um Schutz und Hilfe für sich und die Ihren an. Dann erinnerte sie sich jedoch daran, dass mit dem Fürstbischof von Würzburg ein Vertreter der heiligen Kirche gegen ihre Mutter stand, und ihr wurde das Herz schwer. Würde Gott aufseiten seiner Diener stehen,auch wenn diese Unrecht taten, und die schützende Hand von ihr und ihrer Mutter abziehen? Als sie zu der kleinen Madonnenstatue mit dem Jesuskind hochblickte, verneinte sie diese Frage, denn sie fühlte sich getröstet. Auch spürte sie eine Kraft in sich wachsen, die ihr den Mut gab, auch noch das letzte Stück Weges nach Graz in Angriff zu nehmen.
    Lampert war zunächst geduldig vor der Kapelle stehen geblieben, aber da er selbst den Wunsch verspürte, vor dem Gnadenbild zu beten, vertraute er die drei Pferde einem zuverlässig aussehenden Jungen an. Danach trat er ein, blieb aber bei der Tür neben Uta stehen, da beide es nicht wagten, sich durch die frommen Leute zu zwängen. Sie konnten daher die Statue nicht so gut sehen wie ihre Herrin, richteten aber ihre Gebete an die Mutter Jesu und baten sie, ihnen ihre Bitten zu erfüllen.
    Uta wünschte, dass die Reise bald zu Ende sein möge. Im Süden ragten hohe Berge in den Himmel, deren weiße Gipfel verrieten, dass dort bereits der Winter Einzug gehalten hatte. Ihr war es gleich, ob sie sich nun als Gäste auf irgendeiner Burg oder in einem Kloster einquartierten oder auf dem schnellsten Weg nach Schweinfurt zurückkehrten. Da sie selbst dann, wenn sie stramm ritten, mindestens zehn, wahrscheinlicher aber dreizehn bis fünfzehn Tage für den Rückweg benötigen würden, flehte sie die Jungfrau Maria an, ihnen für diese Zeit gutes Wetter zu senden. Vor allem anderen wünschte sie sich schließlich, der elende Regen möge aufhören, der durch die Kleider drang und ihre Glieder zu Eisklumpen werden ließ.
    Anders als Uta, die nur von einem Tag zum anderen dachte, ahnte Lampert, was seine Herrin plante. Einige der Fragen, die sie unterwegs gestellt hatte, waren zu verräterisch gewesen. Auch wenn die Reise beschwerlich war, so freute er sich doch darauf, die Residenz des Königs und vielleicht sogar diesen selbst zu sehen. Den König umgab ein besonderer Segen, dessen jeder, der ihn sah, teilhaftig wurde, und dafür lohnten sich auch die Unannehmlichkeiten dieser Reise. Um sich einer solchen Ehre würdig zu zeigen, betete er, dass Herr Friedrich von Habsburg, der als Dritter seines Namens die Krone des großen Karls trug, Trudi Gehör schenken und ihrer Familie im Streit mit dem Würzburger Bischof und anderen Feinden beistehen würde.
    Danach bat er die Himmelsmutter, Uta endlich Vernunft annehmen zu lassen. Zu Hause war das Mädchen ganz anders gewesen als auf dieser Reise. Doch nun kamen Seiten ihres Charakters zum Vorschein, die ihn abstießen. Ein wenig selbstsüchtig war sie schon immer gewesen, doch sie hatte sich redlich bemüht, ihrer Herrin gut zu dienen. Hier in der Fremde aber war sie zu einer Beißzange und Jammerliese geworden.
    Als Trudi sich erhob und sich bekreuzigte, vermochte sie nicht abzuschätzen, wie lange sie vor der Madonnenstatue von Altötting gekniet und gebetet hatte. Es konnten ebenso wenige Minuten wie mehrere Stunden gewesen sein. Sie wollte in das Weihwassergefäß greifen, doch der Mönch kam ihr zuvor und benetzte ihre Stirn mit dem kühlen Nass. Das war eine so intime Geste, dass sie sich am liebsten die Stirn trockengerieben und den Mönch zur Rede gestellt hätte. Doch das Wissen, jemanden zu benötigen, der ihr auf ihrem weiteren Weg guten Rat geben konnte, hielt sie davon ab. Sie verließ die Kapelle und sah, dass die Händler und Marktfrauen bereits ihre Stände abbauten. Also musste der Marktaufseher bereits gegen die Stände geschlagen haben.
    Nun wandte Trudi sich an den Mönch,

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