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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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die Trudi überraschte. So schnell sie konnten, durchquerten sie den vorderen Teil der Burg und erreichten den Stall.
    »Wir brauchen unsere Pferde«, sagte Trudi und wies Uta an, Lampert ins Stroh zu legen. Als sie nach ihrem Sattel griff, wurde ihr bewusst, dass ihnen nicht genug Zeit blieb. Daher schob sie ihrer Stute und Lamperts Pferd nur das Zaumzeug ins Maul, während Uta das Gleiche bei ihrem Reittier tat.
    »Wir müssen Lampert auf den Gaul legen!« Trudi biss die Zähne zusammen und wies Uta an, ihr zu helfen. Um zu verhindern, dass der Knecht wieder vom Pferd rutschte, banden sie seine Arme und Beine mit einem Halfterstrick unter dem Bauch des Pferdes fest und zogen einen zweiten Riemen um die Brust des Tieres herum. Dann führte Trudi seinen Wallach und ihre Stute nach draußen.
    Der Wind fegte eisig den Hang hoch und überschüttete sie mit winzigen, scharfkantigen Schneekristallen, die ihr schier die Haut vom Gesicht fetzten. Bedauernd dachte Trudi an den Reitumhang und ihr sauberes Ersatzkleid, die irgendwo in der Burg liegen mussten. Sie hatte nicht gewagt, Zeit mit der Suche danach zu verlieren. Es muss auch so gehen, dachte sie und stemmte sich gegen den Sturm. Sich nach Uta umzusehen, war unter diesen Umständen unmöglich. Sie konnte nur hoffen, dass diese ihr folgen und sich in Sicherheit bringen konnte – eine trügerischeSicherheit, wie sie sich sagen musste, denn sie zweifelte langsam, dass sie in diesem Wetter lange überleben würden.
    Es schien kaum möglich zu sein, mit zwei Pferden am Zügel den steilen Weg zu bewältigen und gleichzeitig darauf zu achten, dass Lampert nicht hinabrutschte. Der Schnee lag hüfthoch, und wenn die Tiere ihn lostraten, rutschte er in großen Platten zu Tal und nahm sie und Trudi ein Stück mit sich. Dabei brachen die Pferde in die Knie und drohten sich zu überschlagen. Gerade, als Trudi Lamperts Pferd wieder auf die Beine gebracht hatte, geriet sie auf eine vereiste Stelle, glitt aus und schlug in den verharschten Schnee. Während sie sich wieder aufraffte, fühlte sie es warm über ihre Stirn laufen, und als sie danach tastete, klebten rot gefärbte Schneekristalle an ihren Fingern.
    Die Wunde war nicht tief, doch als Trudi weiterging, fraß der Eiswind sich in die Verletzung und schien selbst ihr Gehirn erstarren zu lassen. Halbblind vor Tränen stolperte sie weiter und drehte sich erst nach Uta um, als sie endlich den Talgrund erreicht hatte.
    Von ihrer Magd war nichts zu sehen. Trudi spürte, wie die Angst sich wie eine Würgeschlinge um ihre Kehle legte. Hatte Stammberg die Barrikade überwinden können und das Mädchen abgefangen? Unwillkürlich wollte sie wieder hochsteigen und nachsehen, doch die Vernunft ließ ihren Fuß stocken. Da sie gegen den Raubritter nicht ankam, würde sie versuchen müssen, mit Lampert zu entkommen.
    Kaum hatte sie diesen Entschluss gefasst, sah sie, dass zwei Pferde durch das Tor der Festung trabten und sichtlich widerwillig den steilen Weg hinabstaksten. Es handelte sich um die Reittiere der beiden Ritter. Einen Augenblick später folgte Uta mit ihrem eigenen Pferd. Die Magd hielt eine Peitsche in der Hand und schlug auf die Gäule ihrer Entführer ein. Dabei trieb sie es so arg, dass die beiden Tiere das letzte Stück hinabgaloppierten und mit wehenden Mähnen im Schneegestöber verschwanden.
    »Es ist besser, wenn die beiden Schurken erst ihre Zossen suchen müssen, bevor sie uns folgen können.« Uta lächelte unter Schmerzen, war aber sichtlich stolz auf ihren Einfall. Trotz des Schrecklichen, das sie in der Höhlenburg durchlitten hatte, besaß sie eine Menge Lebensmut.
    Wenn sie wieder zu Hause waren, sagte Trudi sich, würde sie Uta für all das reichlich entschädigen. Ohne die Magd und den Schürhaken wäre sie noch immer oben in der Burg gefangen und würde nun auch von Stammberg missbraucht und gequält.

2.
    P eter von Eichenloh hatte mit Winterwetter gerechnet, aber nicht mit solchen Widrigkeiten. Es war, als wolle ihm irgendeine himmlische oder höllische Macht den Marsch noch zusätzlich erschweren. Gegen den scharfen Wind, der die Höhen herabfegte, halfen weder Mäntel noch Decken. Die über den verharschten Schnee fegenden Eiskristalle drangen in jede Ritze und rieben wie Scheuersand über die Haut. Am schlimmsten traf es die Augen, die in einem fort tränten, so dass man kaum etwas sehen konnte. Um wenigstens den Pferden diese Qual zu ersparen, hatte Eichenloh befohlen, ihnen Tücher um die Köpfe zu

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