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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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binden. Am liebsten hätte er auch noch die weichen Nüstern einwickeln lassen, aber die Tiere mussten schließlich Luft bekommen.
    »Zur Hölle mit demjenigen, der uns bei diesem elenden Wetter und in einer solch üblen Gegend Krieg führen lassen will! So etwas kann sich auch nur jemand einfallen lassen, der um die Zeit brav zu Hause auf seinem Stuhl hockt und Würzwein säuft! Uns aber hat man nicht einmal gegönnt, das Christfest zu feiern.«
    Eichenlohs Stellvertreter Quirin hatte sein Pferd neben das seines Anführers gelenkt und schüttelte sich wie ein nasser Hund.Dann wies er mit einer ausholenden Geste auf die verschneiten Berge und die Bäume, die dick mit einer weißen Schicht überzogen waren. »Kannst du mir sagen, wie wir hier unser Ziel finden sollen? Für mich sieht das alles gleich aus, und unser angeblich so wegkundiger Führer scheint auch nicht mehr zu wissen, wo wir uns befinden!«
    »Das glaube ich nicht. Der Mann geht immer noch in die Richtung, in der Teiflach liegt. Das zeigen mir die Bergspitzen. Ich habe mir von Seiner Majestät genau erklären lassen, wie die Gipfel aussehen, die wir unterwegs passieren müssen.«
    »Das war sehr klug von Euch!« Hardwin von Steinsfeld, der direkt hinter Eichenloh ritt, machte aus seiner Bewunderung für ihren Anführer keinen Hehl.
    Quirin spie aus. »In meinen Augen gleichen sich diese Berge wie ein Ei dem anderen. Sie sind alle verdammt hoch und mit Schnee bedeckt, der, wie ich gehört habe, von Zeit zu Zeit herabfällt und alles unter sich begräbt. Die Leute hier nennen das Lawinen. Ich will nur hoffen, dass wir keiner davon begegnen. Am besten sollten wir das Maul halten und jedes unnötige Geräusch vermeiden. Es soll hier nämlich Geister geben, die solche Schneehaufenlawinen über Reisende schütten, wenn sie sich gestört fühlen.«
    »Dann solltest du mit gutem Beispiel vorangehen, denn deine Stimme hallt wie ein Schlachthorn über das Land«, riet Eichenloh ihm lächelnd.
    Hardwin kicherte leise. Normalerweise dröhnte Quirins Organ so durchdringend, als wolle er Tote erwecken. Nun aber klappte der breit gebaute Mann seinen Mund zu und äugte wie ein verschrecktes kleines Mädchen zu den steil aufragenden Felswänden hinauf. Dabei war Quirin nach alledem, was Hardwin über ihn gehört hatte, ein beherzter Kämpfer und noch nie von einem Schlachtfeld geflohen. Es war wohl etwas anderes, feindlichen Kriegern gegenüberzustehen und sich seiner eigenen Kraft bewusstzu sein, als der unbekannten Natur mit ihren grausamen Gesetzen ausgeliefert zu sein.
    Auch Eichenloh wünschte sich etwas Besseres, als im Schatten dieser steinernen Riesen zu reiten, doch wenn er König Friedrichs Wohlwollen erlangen wollte, musste er diesen Feldzug erfolgreich abschließen. Sein Blick schweifte über seine Männer, die er in so manchen Kampf geführt hatte, und las die Angst vor den Bergen und den Geistern, die hier leben sollten, auf ihren vor Kälte geröteten Gesichtern. Keiner redete, und die meisten blickten starr auf den Hintern des vor ihnen gehenden Pferdes. Auch die einheimischen Fußknechte, die hinter den Reitern marschierten, schienen von der Geisterfurcht befallen zu sein. Immer wieder schlug einer das Kreuz, und viele zuckten bei jedem Geräusch zusammen.
    Eichenloh wollte schon den Kopf darüber schütteln, da hörte er selbst etwas, das ihm die Nackenhaare aufstellte. Es begann mit einem Rauschen, das immer lauter wurde und zuletzt in ein tosendes Krachen überging. Gleichzeitig schien die Erde zu beben, und die Pferde gerieten in Panik. Einzelne Felsen und Eisplatten lösten sich und polterten in einer Woge weiteren Schnees dem Talgrund zu. Zum Glück flog keiner der Brocken in die Gruppe der Männer, die für Augenblicke wie erstarrt standen.
    »Das war eine Lawine! Unser Heiland hat sie in Seiner Gnade ein Stück entfernt niedergehen lassen. Wir wollen ihm dafür danken!« Der Mann stimmte ein Gebet an, in das die anderen sofort einfielen.
    Auch Eichenloh sprach die frommen Worte mit, fragte sich aber, ob er auf dem besten Weg war, eine Memme zu werden. Für einige Augenblicke hatte er Panik verspürt und wäre am liebsten umgekehrt.
    »Weiter!«, befahl er, als das Gebet gesprochen war, und setzte sich wieder an die Spitze des Zuges.
    Der einheimische Führer, der wie die Knechte zu Fuß ging, eiltehastig an seine Seite. »Wir müssen innerhalb der nächsten Stunde einen sicheren Platz erreichen. Heute Nacht wird es einen Schneesturm geben, den

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