Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
ihrer Vorstellung hatte Uta schon Dutzende Male auf ihre Peiniger eingeschlagen, aber nie den Mut gefunden, es wirklichzu tun. Erst als Hohenwiesen über ihre Herrin hergefallen war, hatte sie ihre Angst ein paar Augenblicke lang überwinden können. Nun aber wurde sie von Panik ergriffen.
    »Die Kerle werden mich dafür umbringen!«, wimmerte sie.
    »Wenn wir hierbleiben, bringen sie uns alle um. Komm, hilf mir, den Kerl von mir wegzuschieben«, herrschte Trudi sie an und stemmte sich erneut gegen den Mann.
    Trudis scharfe Worte verjagten zwar nicht das Grauen, das Uta lähmte, aber sie gehorchte aus alter Gewohnheit, packte Hohenwiesens Arm und rollte den Mann von ihrer Herrin herab.
    Trudi stand auf und versetzte dem Reglosen einen Tritt. Der Raubritter rührte sich nicht. Für einen Augenblick hoffte sie, Uta habe ihm den Schädel eingeschlagen, doch sie hatte nicht die Zeit, festzustellen, ob er lebte oder tot war. Sie raffte ihre Kleider an sich und begann sich trotz ihres Ekels vor dem schmutzstarrenden Stoff in fieberhafter Eile anzuziehen.
    Da Uta noch immer mit dem Schürhaken in der Hand dastand, versetzte sie ihr einen Stoß. »Los, schlüpf in deine Kleider! Nein, halt! Vorher schieben wir den Tisch vor die Tür, die zum Keller führt. Mit etwas Glück hält das Ding Stammberg lange genug auf, so dass wir fliehen können.«
    »Fliehen?« Es war, als hätte dieses Wort Utas Lebensgeister geweckt. Splitternackt stemmte sie sich gegen den schweren Tisch und wuchtete ihn zusammen mit Trudi gegen die Tür. Dann lauschten sie und erwarteten ein Wutgebrüll zu vernehmen, doch es blieb ruhig.
    »Der Hund säuft wohl direkt am Fass und überlegt sich dabei, was er mir noch alles antun kann«, zischte Uta.
    »Das alles tut mir furchtbar leid! Ich wollte wirklich nicht, dass dir so etwas Schreckliches zustößt.« Trudi streckte die Hand aus, um ihre Magd zu trösten.
    Uta aber entzog sich der Berührung mit einem heftigen Ruck. »Ich muss mich anziehen, habt Ihr gesagt, und mit Euch fliehen.Aber was machen wir mit Lampert? Wenn wir ihn zurücklassen, werden die Schufte ihn zu Tode quälen. Uns ebenfalls, wenn wir nicht schnell genug vor ihnen davonlaufen können!«
    Die Magd zitterte am ganzen Leib und stolperte mit ihrem Kleiderbündel in der Hand auf die Tür zu, so als wolle sie nackt in die Kälte fliehen. Trudi hielt sie im letzten Augenblick fest und schüttelte sie, um sie zur Vernunft zu bringen. »Anziehen, habe ich gesagt! Und dann hilf mir, Lampert hinauszuschaffen.«
    Uta schlüpfte gehorsam in Hemd und Kleid und schlug dann die Hände vors Gesicht. »Wir können denen nicht entkommen!«
    »Wenn wir nicht schneller machen, gewiss nicht!«, sagte Trudi und trat zu Lampert. Der Knecht lag in tiefer Bewusstlosigkeit, und weder seine erschreckende Blässe noch sein flacher Atem ließen hoffen, dass er bald wieder zu sich käme. Uta und sie würden ihn tragen müssen, und mit ihm die schwere Eisenkugel, die sie selbst kaum hochbrachte. So ist es unmöglich, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie blickte sich verzweifelt um. Dann sah sie den blutbespritzten Schürhaken am Boden liegen. Sie packte das Ding, fuhr mit der Spitze in das erste Kettenglied nach der Fußschelle und versuchte, es aufzubiegen. Die eiserne Schelle presste sich tief in Lamperts Fußgelenk und riss die Haut auf. Blut trat heraus, und selbst in seiner Ohnmacht bewegte sich der Knecht, als wolle er dem Schmerz entkommen.
    Trudi wollte schon aufgeben, sah dann aber, wie das Kettenglied klaffte, und verstärkte ihre Bemühungen. Kurz darauf war es so weit aufgebogen, dass sie es von der Schelle lösen konnte. Um die würde sich ein Schmied kümmern müssen. Trudi verband Lamperts blutendes Bein mit einem Tuch, das sie unter den eisernen Ring schob, und winkte Uta zu sich.
    »Steh nicht so herum! Hilf mir, Lampert in die Decke da zu wickeln und hinauszuschaffen. Allein kann ich ihn nicht tragen.«Uta riss die Hände hoch. »Aber wenn wir ihn schleppen, kommen wir nicht weit. Vielleicht sollten wir ihn doch zurücklassen!«
    Doch trotz ihres Protests fasste sie mit an. Gemeinsam rollten sie Lampert in die Decke und trugen ihn zur Küche hinaus. Es war keinen Augenblick zu früh, denn hinter der verbarrikadierten Tür klangen Schritte auf. Stammberg kam die Treppe herauf.
    Dieser Gedanke vertrieb jeden Funken von Schwäche aus den beiden Frauen. Uta wimmerte zwar vor Schmerzen, doch sie brachte trotz ihres zerschlagenen Körpers eine Kraft auf,

Weitere Kostenlose Bücher