Die Tochter der Wanderhure
ich ihr sage, dass ich betrunken war und es eigentlich gegen meinen Willen geschehen ist, sondern mich für dieselbe lose Metze halten wie Bona von Fuchsheim.«
Hiltrud seufzte. »Kind, ich bin wirklich keine von denen, die dem unversehrten Jungfernhäutchen eines Mädchens übermäßigen Wert beimessen. Viele Frauen werden gegen ihren Willen benutzt oder müssen jemandem zu Diensten sein. Doch in den Kreisen, in die deine Eltern aufgestiegen sind, will man am Morgen nach der Brautnacht das blutbefleckte Laken sehen. Bei Gott, wenn es mir irgendwie möglich ist, werde ich dir helfen, damit du deinen Bräutigam und dessen Verwandte zufriedenstellen kannst. Doch die Gefahr ist größer, als du annimmst. Würde Georg von Gressingen allein behaupten, er hätte dich genommen, könnte man dies als Verleumdung abtun und ihm mit einer Fehde drohen. Doch wenn Bona und Hardwin das Gleiche herumerzählen, ist dein Ruf zerstört. In dem Fall wird nicht einmal deine Mitgift diesen Makel überdecken können, und deinen Eltern bleibt wahrscheinlich nichts anderes übrig, als dich in ein Kloster zu geben.«
Die alte Bäuerin redete auf Trudi ein wie auf eine kranke Kuh, sie solle sich ihrer Mutter anvertrauen. Zwar würde Marie das Mädchen schelten, ihm dann aber beistehen und dafür sorgen, dass Trudi so unbeschadet wie möglich aus dieser Sache herauskam. Doch Trudi glaubte felsenfest, Junker Georg hielte sein Versprechen, und in dem Augenblick, in dem er offiziell um sie anhielt, würde sie allen Vorhaltungen und Strafen der Mutter entgehen. In einem hatte diese nämlich recht. Eine sittsameJungfer gab sich nicht vor der Hochzeit einem Mann hin, sondern wartete, bis sie von ihrer Mutter ins Brautbett geleitet wurde.
12.
E twa zur gleichen Zeit, in der Trudi Hiltrud besuchte, stand Georg von Gressingen auf den Zinnen der Burg Marienberg und starrte auf den Strom hinab, der den Burgberg von der Stadt trennte. Dann wanderte sein Blick über die Dächer der Bürgerhäuser und Kirchen, die sich auf dem ebenen Feld am nördlichen Ufer des Mains aneinanderdrängten. Dort drüben häuften sich Reichtümer, die selbst einen Edelmann wie ihn beschämen mussten. Die Kaufleute der Stadt versorgten die Mitglieder des Hochstifts und den Hof des Bischofs mit Waren aus aller Welt und verdienten gut daran.
Gressingen kannte den einen oder anderen Kaufherrn, der einem Edelmann wie ihm die Lieblingstochter mit Gold und Juwelen bedeckt in das Brautbett legen würde. Auf eine solche Heirat legte er jedoch keinen Wert, denn dem Gold solcher Bräute haftete der Geruch niederer Arbeit an, und den gemeinsamen Söhnen wurde es verwehrt, sich auf den bedeutenden Turnierplätzen des Reiches mit edel geborenen Rittern zu messen. Diese Gefahr hätte, wie sein Onkel Albach ihm bewusst gemacht hatte, auch bei einer Heirat mit Michel Adlers Tochter bestanden. Der Stammbaum derer von Kibitzstein war alles andere als edel, und so mancher Herold würde die Nase rümpfen, würde man von ihm verlangen, diesen zu verkünden.
Andererseits war Michel Adler von Kaiser Sigismund persönlich geadelt worden. Daher würde der Kibitzsteiner höchstens von den ganz großen Turnieren ausgeschlossen werden, und an denen durfte auch Gressingen trotz seines makellosen Stammbaumsnicht ohne Einladung teilnehmen. Deshalb war die Gefahr, dass Nachkommen von ihm und Trudi Adler von seinen Standesgenossen wie Bastarde behandelt würden, nicht allzu groß.
Maximilian von Albach spürte die Zweifel, die seinen Neffen plagten, und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was schaust du dir so prüfend an? Die Wehranlagen der Stadt oder die Schiffe, die auf dem Main fahren?«
Georg von Gressingen schüttelte den Kopf. »Weder noch. Ich war einfach nur in Gedanken versunken.«
»Ich würde einen Gulden dafür geben, wenn ich wüsste, was du eben gedacht hast. Aber wir haben keine Zeit, miteinander zu reden, denn wir stehen gleich vor dem hohen Herrn. Achte genau auf das, was du sagst, oder schweige am besten ganz. Ich will kein Wort hören, das Seine hochwürdigste Exzellenz erzürnen könnte.«
Gressingen folgte seinem Onkel in die Burg und fand sich kurz darauf in einem Vorraum jenes Saales wieder, in dem Gottfried Schenk zu Limpurg Bittsteller und Besucher zu empfangen pflegte. Es waren etliche Leute erschienen, und da der Haushofmeister zuerst die Wichtigsten unter ihnen eintreten ließ, mussten Albach und Gressingen sich eine Weile gedulden.
Albach nützte die Zeit, um mit
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