Die Tochter der Wanderhure
sich genommen hatten, und stellte sich vor die beiden hin. »Ja, wir wollen Gerechtigkeit! Ihr habt meine beiden Getreuen grausam gequält und seid wie Tiere über Uta hergefallen. Mich hättet ihr ebenso misshandelt, wären wir euch nicht durch die Gnade des Himmels entkommen. Möge Gott euch dafür verfluchen und auf ewig dem Höllenfürsten überlassen!«
»Nein, nicht dem Satan!« Hohenwiesen fiel vor ihr auf die Knie. »Gnade, Herrin! Überlasst meine Seele nicht dem Teufel! Ich weiß, ich bin ein Sünder und habe schwere Strafe verdient. Doch versagt mir nicht die Hoffnung auf Erlösung am Jüngsten Tag, an dem unser Heiland die Guten und die Bösen scheiden und die einen ins Paradies führen wird, während die anderen für immer in den feurigen Klüften der Hölle schmachten müssen.«
Es dauerte einige Augenblicke, bis Trudi und auch Eichenloh begriffen, dass Hohenwiesens Verstand gelitten hatte und er das Mädchen als Inkarnation der Himmelsherrin ansah. Er flehte Trudi an, seine Seele zu verschonen, und brach zuletzt in Tränen aus.
»Schwächling!«, murmelte Stammberg, der noch immer hoffte, sich aus dieser üblen Lage herauswinden zu können. Sein Ruf war zwar auch hier in der Heimat nicht der beste, aber einige Männer der Gegend waren ihm etwas schuldig, und die würden sich wohl für ihn verwenden.
Eichenloh war nicht bereit, sich länger mit diesem Gesindel abzugeben. Er wartete gerade so lange, bis seine Leute mit mehreren Körben voll Pökelfleisch und Mehl sowie ein paar Kannen Wein aus dem Keller zurückkehrten, dann rief er alle, die mit ihm aus Franken in dieses Land gekommen waren, in der großen Halle zusammen.
Der Raum war halb gemauert, halb aus dem Felsen geschlagen und so düster, dass selbst die Fackeln ihn kaum zu erhellen vermochten. Da die hölzernen Fensterläden bereits stark verrottet waren, hatte der Wind Schnee hereingeweht, der sich auf dem abgetretenen Steinboden türmte.
Als einer von Eichenlohs Männern den eisernen Leuchter, der in der Mitte des Raumes hing, herablassen wollte, um die Fackeln hineinzustecken, hob Eichenloh die Hand. »Lass das! Wir bleiben nur kurze Zeit herinnen. So lange werdet ihr die Fackeln halten können.«
Der einheimische Führer drängte sich durch die Männer, bis er neben Eichenloh stand. »Was habt Ihr vor, Herr?«
»Gericht halten!«, war Eichenlohs ebenso knappe wie klare Antwort.
Der Mann hob abwehrend die Hände. »Aber das dürft Ihr nicht. Ihr müsst diese beiden dem zuständigen Amtmann übergeben.«
»Wir befinden uns auf einem Kriegszug, der Heimlichkeit bedingt. Da können wir nicht in die nächste Stadt reiten und nach dem Vogt fragen. Mitnehmen will ich die Kerle auch nicht, also werden wir sie hier aburteilen.« Eichenloh wandte dem Führer den Rücken zu und wies mit einer ausholenden Geste in die Runde.
»Diese beiden Ritter haben eine Jungfer von Stand gefangen gehalten und gequält. Außerdem haben sie ihre beiden Bediensteten geschunden. Frau, zieh dich aus!«
Das Letzte galt Uta, die ihn zunächst erstaunt ansah, sich dann aber zögernd aus ihrer Kleidung schälte. Die Blutergüsse um ihre Augen und die Schrammen in ihrem Gesicht hatten schon vorher verraten, wie hart sie geschlagen worden war, und als sie nur noch im Hemd dastand, konnten die Männer die Spuren schwerer Misshandlung auf Armen und Beinen erkennen.
»Runter mit dem Hemd!«, befahl Eichenloh.
Uta warf dem Söldnerführer einen flehenden Blick zu. Konnte er denn nicht verstehen, dass sie sich nach den Erfahrungen, die sie mit Stammberg gemacht hatte, nicht unbekleidet einer ganzen Horde von Männern zeigen wollte?
Eichenloh verfluchte insgeheim die beiden Schurken, aber er konnte Uta diese letzte Demütigung nicht ersparen. »Mach schon, sonst erfrierst du hier noch!«
Tatsächlich zitterte Uta bereits ebenso vor Kälte wie vor Angst. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie den Saum packte und hochhob. Sie schloss die Augen, um die Männer im Saal nicht ansehen zu müssen, streifte das Hemd ab und umklammerte es mit einer Hand.
Flüche erklangen und wüste Beschimpfungen, die den Raubrittern galten, als die Männer all die frischen Striemen und die Spuren älterer Schläge musterten, die den Körper der Magd wie ein Webmuster bedeckten. Selbst Eichenloh, der glaubte, in seinem Leben bereits genug gesehen zu haben, wurde bei diesem Anblick flau im Magen.
Trudi, die den Söldnern wie eine Traumwandlerin gefolgt war, wurde nun ganz wach. Sie
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