Die Tochter der Wanderhure
Hätte sie nicht geholfen, Teiflach zu erobern, wäre er nicht in diese schier ausweglose Lage geraten. Es war gewiss kein Verbrechen, führte er ihr vor Augen, dass er in die Dienste Herzog Albrechts von Österreich getreten war. Schließlich hatte er es nur getan, um von diesem ein Lehen zu erhalten und ihr somit eine Heimat bieten zu können. Außerdem, betonte er, war der Herzog ein mächtiger Mann im Reich und hätte sich gewiss für ihre Familie verwenden können.
Trudi konnte ihm kaum noch in die Augen sehen, so sehr schämte sie sich. »Wenn ich doch etwas für Euch tun könnte«, flüsterte sie und fasste nach seiner Hand.
»Ihr helft mir schon genug, Jungfer Hiltrud. Ohne Euch ginge es mir wie einem Falken im Käfig. Dank Euch habe ich wenigstens einen Menschen, mit dem ich sprechen kann. Lieber wäre es mir jedoch, wenn wir ungestört blieben.« Gressingen warf Uta, die in einer Ecke des Raumes saß und den aufgerissenen Saum eines Kleides nähte, einen vorwurfsvollen Blick zu.
Die Magd hatte sich körperlich wieder erholt, allerdings kehrten die Ereignisse in der Höhlenburg regelmäßig als Alpträume zurück. Während sie nähte, ließ sie Trudi und den Ritter kaum aus den Augen, teils, weil es ihre Pflicht war, darauf zu achten, dass die beiden die gebotene Sittsamkeit einhielten, teils aber auch, weil sie wissen wollte, was ihre Herrin mit diesem ihr immer unsympathischer werdenden Menschen alles zu bereden hatte.
Trudi versuchte, Junker Georg zu beruhigen. »Uta ist treu wie Gold und würde selbst auf der Folter kein Wort verraten.«
Gressingen ging es jedoch weniger ums Reden als um andere Dinge, die er mit Trudi anstellen könnte, wenn sie allein blieben. Er langweilte sich in dem kleinen Raum, und anders als den Gästen des Königs war es ihm nicht möglich, sich an einer willigen Magd schadlos zu halten. Außerdem reizte Trudi ihn immer noch, wenn auch nur als willige Geliebte, denn er war weniger denn je bereit, sie zur Frau zu nehmen. Sie war nicht einmal mehr eine erstrebenswerte Erbin, da ihre Mutter den Zwist mit dem Würzburger Bischof ebenso verlieren würde wie das nach Krämerart zusammengeraffte Vermögen.
Gressingen erinnerte sich wieder an das Angebot seines Onkels, sich bei der Suche nach einem passenden Weib für ihn zu verwenden. Auf das würde er zurückkommen – wenn er erst frei war und seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte. Für beides aber musste er die Verliebtheit dieser dummen kleinen Gans ausnutzen. Aus diesem Grund begann er wieder zu klagen.
»Ich gehe hier bald zugrunde! Wenn ich wenigstens die Aussicht hätte, wieder freizukommen. Doch wie ich Eichenloh kenne, wird er darauf dringen, dass ich über kurz oder lang in einen richtigen Kerker eingesperrt werde.«
Es gelang Gressingen, gleichzeitig verzweifelt und kämpferisch zu wirken. Mit einer leidenschaftlichen Geste legte er Trudi die Arme um die Schultern und zog sie näher an sich heran. »Du hast mir während der letzten Monate so gefehlt! Immer wieder habe ich an dich gedacht und mir geschworen, dich heimzuführen, sobald ich dazu in der Lage wäre. Deshalb bin ich auch in Herzog Albrechts Dienste getreten. Von ihm erhoffte ich mir den Lohn, der deiner würdig ist. Doch solange ich hier eingesperrt bin wie ein Ochse im Stall, bleibt unsere Liebe unerfüllbar.«
Trudi wurde von einem Glücksgefühl durchströmt, wie sie esnoch nie erlebt zu haben glaubte, gleichzeitig aber fraß die Sorge um ihren Geliebten sie halb auf.
»Ihr müsst auf Euren guten Stern vertrauen«, beschwor sie ihn. Gressingen schüttelte wild den Kopf. »Mein Stern ist längst gesunken! Wenn niemand mir hilft, wird er auch nie mehr aufsteigen.«
»Ich werde Euch helfen!« Trudi blickte ihn dabei so selig an, dass er sich eines spöttischen Lächelns erwehren musste. Was für ein Glück, dass dieses Mädchen so naiv war! Allein die Tatsache, dass sie ihm alles berichtete, was sie in der Burg hörte und sah, verschaffte ihm einen unschätzbaren Vorteil.
»Der König wird mich nach den Lügen, die Eichenloh über mich verbreitet hat, niemals freilassen. Dieser Soldknecht ist eine üble Kreatur, die überall, wo sie hinkommt, nur Unfrieden stiftet«, klagte er.
»Da habt Ihr wohl recht!« Trudi verdrängte, dass Eichenloh ihr das Leben gerettet hatte, und maß ihn nur noch an den spöttischen Bemerkungen, die er in Gegenwart des Königs über sie geäußert hatte. Zudem störte es sie, dass er seit der Ankunft in Graz häufig
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